Dreißig Gedichte für den Frieden
(hier am Ostersamstag 2017 veröffentlicht)
֎֎֎
Frage
Was unternehme ich nicht alles,
damit eine einzige Lippenknospe
in meiner Nähe
sich lächelnd öffnet!
Was unternehme ich
gegen die Kriege,
die mit Lügen begründet,
nah und fern,
tausende Blumen vernichten?
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Frühlingsknospen
Einen wirksamen Schleier
breiteten die sich allmächtig Erscheinenden
über das wahre Wesen der laufenden Ereignisse
und prahlten ihre eigene Fortdauer
Als ich die Bedeutung der Vergänglichkeit
und den geschichtlichen Charakter der Gegenwart
gründlich erkannte
entwickelte sich meine freudige Zuversicht
wie feine Frühlingsknospen
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Zusammenhänge im großen Gefüge
Habe keine Angst, Liebste
Lass dich nicht verwirren
Die Verächter des Lebens
haben ein Heer
von Wissenschaftlern, Forschern
Psychologen, Ärzten
Künstlern, Schriftstellern
und Geistlichen aller Schattierungen
Lass dich nicht einschüchtern
von ihrem allmächtigen Getue
von ihrem allwissenden Gehabe
Stelle einfache
und entscheidende Fragen
Gelten die angegebenen Maßstäbe
für Freunde und Feinde
Gelten die ersehnten Vorstellungen
für alle Wesen dieser Erde
oder nur
für einen auserwählten Menschenkreis
Lass dich nicht in die Irre führen
mit dem törichten Geschwätz
vom bösen Kern des Menschen
Erforsche den umfassenden Rahmen
und die Zusammenhänge
im großen Gefüge
in dem der Mensch zu dem wird
was die Gegenwart zeigt
Habe Zuversicht, Liebste
Betrachte das Laufende
aus einem wesentlich weiteren
zeitlichen Blickwinkel
und denke dabei auch
an das Wunder der Raupe
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Zeichen setzen
wie die Betörung der morgendlichen Brise im Frühling,
wie der Flügelschlag der Schmetterlinge im Sommer,
wie die Liebkosung der Blätter im Herbst,
wie der Tanz der Schneeflocken im Winter,
wie das Lächeln eines Fremden.
Zeichen setzen
mitten im stummen Gedränge der Verzweifelten,
mitten in der besinnungslosen Trunkenheit der Gewalttätigen,
mitten im betäubenden Siegesschrei der Todesbringer.
Zeichen setzen
fürs Leben.
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Ich erzähle dir meine Geschichte,
und du kannst das Zuhören
nicht ertragen.
Wie soll es mir gehen,
der das alles
an Leib und Seele erfahren hat.
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Meer der Morgenröte
Offenherzig tauche ich ein
in das Meer der Morgenröte
und nehme Stimmen wahr
die der Berge, der Wälder
der Wüsten, der Weizenfelder
der Straßenkinder
der Entrechteten
der Verdammten
der Schwach-Gehaltenen
der Entwurzelten
Alle stellen dieselbe Frage
nicht belehrend
nicht vorwurfsvoll
nur klärend
Angesichts deiner Möglichkeiten
wirst du unsere Stimme sein
im verschweigenden Getöse
oder wirst du uns verbannen
in das Land der Vergessenheit
aufgrund deiner Ängste
geführt von deiner Eitelkeit
fliehend in Scheinheiligkeit
Aufrecht tauche ich auf
aus dem Meer der Morgenröte
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Snowden
Die beiden Standpunkte
»Unglücklich das Land, das keine Helden hat«
und
» Unglücklich das Land, das Helden nötig hat«*
seien zur schöpferischen Diskussion dahingestellt
Tatsache bleibt
dass ohne Wissen, Weitsicht, Verantwortungssinn
Liebe zum Leben
sowie ohne Ehrfurcht
bekannter und unbekannter Menschen
vor dem Sein
unser heutiges Dasein
ein ganz anderes Antlitz hätte
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Quelle der Zuversicht
Wenn ich unsere Medienlandschaft betrachte
wächst bei mir grenzenlos
ein empörendes Erstaunen
da ich mich immer wieder
wie in einem großen Kerker fühle
schalltot und echolos
Anstelle der Wände
sehe ich in diesem Gefängnis
wohl ernährte Menschen
finstere, bunte, feige Gestalten
Sie gestikulieren gedächtnislos
fabulieren unverschämt
manche mutmaßlich erzwungen
einige augenscheinlich begeistert
andere gedankenlos und mitläuferisch
Offensichtlich können sie kaum erkennen
dass der vermeintlich feste Boden
unter ihren Füßen tausend Risse zeigt
Wenn ich aus der Vogelperspektive
das Geschehen ganzheitlich betrachte
sehe ich nicht nur in unserem Land
sondern auf verschiedenen Erdteilen
unzählig viele Bienen und Ameisen
die gelassen, geduldig, gewagt
vielfältig, vereint, unbeirrt
aufrecht, authentisch
der gewaltigen Maschinerie der Verwüstung trotzend
ihren Weg beschreiten und bestreiten
Sie sind meine Quelle der Zuversicht
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In dieser beklemmenden Dunkelheit
in dieser erlahmenden Kälte
in dieser erstickenden Enge
schreist du im Siegesrausch
dass du ein Meister bist
aus Deutschland
der alles nimmt
was sich nach Leben sehnt
der alles vernichtet
was nach Menschlichkeit riecht
Du bist ein Meister
nicht nur aus Deutschland
und die Vergesslichkeit
ist eine Volkskrankheit
nicht nur in Deutschland
und die Ignoranz
ist eine Seuche
nicht nur in Deutschland
und eine mögliche Wiederholung
ist eine Konsequenz
nicht nur in Deutschland
Vergiss jedoch nicht
dass die Mutter Erde
von unzählig vielen
verehrt wird
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Belanglose Banalitäten, banale Belanglosigkeiten?
Friede, Freude, Eierkuchen!
Zunächst nach den richtigen Zutaten suchen:
Zwei Gläser voll Täuschung und Tarnung,
anderthalb Gläser heuchelnde Warnung,
ein beachtlicher Schuss suggerierte Dummheit,
drei Esslöffel softe Weisheit,
250 g weiche Wahrheit,
eine gute Prise berechnende Vergesslichkeit,
eine Hand voll bedachte Dreistigkeit.
Dann mischen, kneten, knebeln, spalten,
dass keine Systemgefahr aufkommt, darauf achten.
Bald ist fertig der Friedensbrei.
Lasst die Kritiker bellen, das macht frei.
Macht, Geld und der Sitz im Bundestag,
soll uns erhalten bleiben, Tag für Tag.
Friede, Freude, Eierkuchen!
Zunächst nach dem Unverbindlichen suchen!
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Yalda
Nach der längsten Nacht des Jahres
kamen meine Geschwister geflogen
in bunten Scharen
Mich beschämte zutiefst
unser gemeinsames Heim
Barmherzig sangen sie mit Zuversicht
Streu die Samen aus
auch wenn du die Früchte
nicht selbst erleben wirst
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Morden
Die Rüstungsindustrie entfachte das Morden professionell,
die Völker zahlten die Zeche.
Der UN-Sicherheitsrat begründete das Morden parteiisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Parlamentarier rechtfertigten das Morden solidarisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Politiker ermöglichten das Morden pragmatisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Massenmedien machten das Morden hoffähig,
die Völker zahlten die Zeche.
Geisteswissenschaftler beflügelten das Morden analytisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Juristen behandelten das Morden wortklauberisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Friedensforscher erklärten das Morden auftragsmäßig,
die Völker zahlten die Zeche.
Journalisten berichteten über das Morden eingebettet,
die Völker zahlten die Zeche.
Hilfsorganisationen beschäftigten sich mit dem Morden zivil-militärisch,
die Völker zahlten die Zeche.
Soldaten vollstreckten das Morden befehlsmäßig,
die Völker zahlten die Zeche.
Uniformierte und zivile Söldner erledigten das Morden präzise,
die Völker zahlten die Zeche.
Menschen wie du und ich entledigten sich des Mordens ignorierend
und sie zahlten doch die Zeche.
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Sonderbare Widersprüche
Wir leben wahrhaftig
in einer ungerechten Welt,
die wegen sonderbarer Widersprüche
im Bersten begriffen ist.
Wenn ich aufgrund vielfältiger Tatsachen
führende Personen der „Weltgemeinschaft“
als Massenmörder bezeichne,
erheben sich aus befreundeten Reihen
warnende Stimmen,
verängstigt,
voller Skepsis.
Wenn ich dabei von einem dieser Massenmörder,
der gleichzeitig ein Friedensnobelpreisträger ist,
als eine „terroristische Gefahr“ erachtet werde,
kann er
sich auf geltendes Landesgesetz berufend
mein Verschleppen, Verhören und Foltern einleiten
und letztendlich auch
mein „gezieltes Töten“ veranlassen.
Wenn derselbe Massenmörder,
der besagte Friedensnobelpreisträger,
neue Angriffskriege anzettelnd
den präemptiven Einsatz von Atomwaffen androht
und dabei den Tod unzähliger Menschen
sowie die bleibende Verwüstung blühender Landschaften
billigend in Kauf nimmt,
bekommt er von der „Weltgemeinschaft“
Applaus und Lobesgeschrei.
Wir leben tatsächlich
in einer durch und durch verzerrten Welt,
die nach Veränderungen schreit.
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Wahrnehmung
Du fragst mich
wie Menschen
Versklavung und Verwüstung
im weitesten Sinne
hinnehmen
Frage sie selbst
welche kurz- und langfristigen
Vor- und Nachteile
sie wahrnehmen
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Das neue Jahr
Blauer Himmel
Hier und da weiße Wolkenstreifen
Bäume mit Raureif beschenkt
glitzernd im liebkosenden Sonnenschein
In einem Wipfel zwei Vögel
mit roter Brust
Sträucher mit Hagebutten
und bunten Beeren
Aus dem alten Jahr
rufe ich Momente auf
begeisternde, beschämende,
bewegende, beflügelnde Bilder
Und dann singe ich
voller Inbrunst
meine Überzeugung beteuernd
Für den gebärenden Fluss
und die Mutter Erde
werde ich nichts dichten
außer Liebe und Freude
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Gemeinsam
Vergangene Jahrhunderte
fremde Länder
weit entfernte Erdteile
betrachte ich offenherzig
wissbegierig, zärtlich
und weine wiederholt
vor Schmerzen, Einschränkungen
Ungerechtigkeiten und Entbehrungen
die mich nicht unmittelbar betreffen
jedoch gemeinsames Leid bedeuten
Die Tränen reinigen
durch und durch
meinen Blick
So wird Liebe
als Triebkraft meines Lebens
bereichernd, wegweisend, ermutigend
zum Widerstand und Kampf aufrufend
stets neu erlebt
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Einsicht
Verbunden mit der einmaligen Erde
ganzheitlich Geschehnisse beobachtend
beharrlich Selbstbetrug meidend
begriff ich berührt bewegt
dass buchstäblich Banditen
im Lande herrschten
Nach dieser ergreifenden Erkenntnis
kam sorgloses Wegschauen
schmerzhaft der Selbstaufgabe gleich
Fortan pflanzte ich federleicht
des Lichtes Blumen
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Systemerhaltung
Begrenzte Betrachtung
oberflächliche Orientierung
benebelte Besinnung
eingeschränktes Einfühlen
gelenkte Gedanken
umfangreiche Unehrlichkeit
haarsträubende Heuchelei
ergeben erwartungsgemäß
genehmigte Gesinnung
erlaubte Empörung
erhaltene Entfremdung
verfehlte Verantwortung
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Zustandsbericht
Von Anfang an war
die kapitalistische Lebensweise
vielfältig mit Verbrechen verbunden
gegen die Natur und Lebewesen
Folgerichtig sitzen straflos
zeitgenössische Großverbrecher
nicht auf der Anklagebank
sondern dem Präsidentenstuhl
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Es ist eine klare Nacht
die Sterne zum Greifen nah
ich lausche der Melodie der Stille
genieße den Wein der Einsamkeit
und denke an dich
deine Kinder
und Kindes Kinder
Es ist eine besondere Zeit
uns Höhen und Tiefen zeigend
zum Überdenken alter Gewohnheiten einladend
zum Überprüfen bisheriger Überzeugungen
uns zu Gratwanderungen ermunternd
zum Springen über den eigenen Schatten
Es ist eine klare Nacht
die Sterne zum Greifen nah
ich rieche schon die Morgendämmerung
und denke an dich
deine Kinder
und Kindes Kinder
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Straßenkinder
Kennst du den Glanz der Tauperlen
an Zweigen und Grashalmen
beim Auftreten der ersten
morgendlichen Sonnenstrahlen
Kennst du den Tanz der Spinnweben
benetzt mit Schneesternen
bei abendlicher Brise
im schimmernden Mondschein
Kennst du den Zauber
des Gesangs verliebter Stare
mitten in der Zärtlichkeit
des frischen Grüns im April
So könntest du ein Bild malen
von meiner bewegenden Freude
wenn das Wort Straßenkinder
nur in Geschichtsbüchern vorkäme
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Abruzzen
Nun stehe ich hier
dieses weite Land ehrfürchtig
mit allen Sinnen aufnehmend
weiß-rot, gelb-grün, blau, rosa
Den duftenden Wind tief einatmend
das Meer am Horizont sehnsüchtig ahnend
frage ich mich immer wieder
wie wir den Verwüstern des Lebens trotzend
mit Hilfe der Gelähmten, Betäubten, Verführten
und doch tief im Herzen Bewegten
die Geburt der keimenden Gesellschaftsformation
ermöglichen können
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Schmetterling
Wenn sich ein Element
in einem System ändert
dann folgen Anpassungen
im ganzen Gebilde
So sei der Schmetterling
dessen feiner Flügelschlag
den fernen Berg
zum Beben bringt
֎֎֎
Merke dir den Geruch der Hyazinthen
wenn die Frühlingsbrise sie streichelt
denn bald werden beladene Bombenbringer
bar jeder Barmherzigkeit
im Namen der Menschlichkeit
einen verpesteten Teppich der Verwüstung ausrollen
Merke dir den Gesang der Sperlinge
unter dem meeresblauen Sternenzelt
denn bald werden schwere Panzer
prahlend, protzig
ihr Geheul der Gräueltaten gellen
Merke dir die morgendlichen Tauperlen
auf der seidenen Haut der Spinnenbauten
denn bald werden Söldner und Soldaten
hochgerüstet und aufgetakelt wie Monster
alles, was nach Leben schreit, niedertrampeln
Merke dir die Lichtspiele beim Sonnengang
wenn die Nacht und der Tag sich begrüßen
denn bald werden bleierne Wolken
den Horizont für eine Ewigkeit verdunkeln
Merke dir den aufrechten Gang der Menschen
verzaubert durch die Sehnsucht nach Gerechtigkeit
denn bald werden zahlreiche Dichter und Denker
sich als heilige Krieger huldigend
die Vernunft, den Mut und die Liebe
verraten, verjagen, vergraben
֎֎֎
Die Erde wird sich drehen
gewiss auch ohne dich
und tröstend gestehen
sie brauche dich
Die morgendliche Brise wird sanft dich wachküssen
Die Sonne wird betörend deinetwegen tanzen
Der Wind wird dir behutsam tausend Lieder singen
Der Regen wird zärtlich dich liebkosen
Der Regenbogen wird frohlockend dir die Wege zeigen
Der Mond wird warm deine Träume beleuchten
Die Erde wird sich drehen
gewiss auch ohne dich
und tröstend gestehen
sie brauche dich
֎֎֎
Frohgemut und gelassen
mir der eigenen Vergänglichkeit bewusst
schöpfe ich mit allen Sinnen
Stück für Stück Wissen
zur Änderung und Erhaltung dieser einen Welt
getrieben von der Notwendigkeit der Gerechtigkeit
und der Empfänglichkeit für Schönheit
֎֎֎
Schreiben
nicht aus Angst, Schwäche, Eitelkeit
mit Heuchelei, Scheinheiligkeit
nicht des Geldes wegen
oder mit der Herrschenden Segen
Schreiben
aus Freude an Schönheit und Schöpfung
als Bedürfnis zum Begreifen, zur Erkundung
aus tiefem Wunsch zum Brücken-Bauen
zu sich selbst und den Anderen
֎֎֎
Wenn du die Augen schließt,
fehlen hier zwei Sterne.
Beleuchte und behebe
leidenschaftlich
die tieferen Gründe
dieser maßlosen Ungerechtigkeit
in unserer bewegenden Zeit.
Und pflege stets dabei
das Feuer in deiner Brust.
Wenn du die Augen schließt,
fehlen mir zwei Sterne.
֎֎֎
Was alles auf der Strecke bleibt
Der adlige Kriegsherr geht augenscheinlich fort
der bürgerliche Kriegsminister setzt buchstäblich fort
Menschenleben bleibt auf der Strecke
käufliche Politiker regieren
Militär und Rüstungsindustrie delegieren
Kinderträume bleiben auf der Strecke
die Bundeswehr wird zweckdienlich umgebaut
das brüchige Rechtsbewusstsein wird zunehmend abgebaut
das Völkerrecht bleibt auf der Strecke
das verführte Wahlvolk wird schlicht verschaukelt
Humanität und Demokratie werden dreist vorgegaukelt
Achtsamkeit und Gefühle bleiben auf der Strecke
aufdeckende Tatsachen werden bewusst verschwiegen
Dunkelheit und Lügen sollen unumkehrbar siegen
Vernunft und Redlichkeit bleiben auf der Strecke
korrumpierte Wissenschaftler verleiten und vertuschen
ehemalige Friedensfreunde rechtfertigen und kuschen
Rückgrat und Courage bleiben auf der Strecke
professionelle Söldner und freiwillige Soldaten morden
öffentlich als Helden gepriesen werden diese Horden
Menschlichkeit bleibt auf der Strecke
֎֎֎
Liebeslied
Aus dem Fenster blickend
die Morgenröte
viele Schwalben
mit dem Nachwuchs
Fliegen übend
Gerade in dieser Zeit
der aufkeimenden Zärtlichkeit
mitten im erlahmenden Getöse
deiner Verwüster
und dem betäubenden Schweigen
deiner Bewohner
schreibe ich für dich
die einmalige Erde
meine schönsten Liebeslieder
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Dr. med. Amir Mortasawi
1962 in Bam/Iran geboren wuchs ich in Teheran auf und besuchte dort eine iranische Grundschule. Nach Bestehen einer Aufnahmeprüfung gehörte ich zu den ersten iranischen Schülern, denen ab dem 5. Schuljahr an der Deutschen Schule Teheran im Rahmen eines Sonderprogramms Deutsch beigebracht wurde. Anfang 1979 reiste ich aus dem Iran aus. Nach Studium der Humanmedizin in Göttingen und Frankfurt absolvierte ich die Facharztausbildung in der Herzchirurgie. Seit Januar 2016 bin ich im Bereich der Psychosomatik tätig.
2009 veröffentlichte ich meine ersten Gedichte unter dem Pseudonym „Afsane Bahar“, das ich später als Künstlernamen beibehielt.
Im Dezember 2020 erschien mein Buch „Bilder einer Reise. Lyrik“ beim Verlag Seemann Publishing.