aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag 2013
Über die Nützlichkeit
Am meisten schätze ich die alten Dinge
schon lang gebraucht von anderer Hand
das beste Messer das, mit schmaler Klinge
sehr oft geschliffen schon, als ich es neulich fand
Auch jener Sessel, in den ich gern mich fleeze
es saß schon mancher drin, er ist bequem
wir alle wechseln jederorts in Bälde
von dem, was übrig ist, bleibt nur das Nützliche besteh´n
Wenn ich seit langer Zeit dich heute einmal wieder sehe
weiß ich, manch einer hat dir deinen Mund geküsst
und dies erwägend, mich berührt es kaum
mit größ´rer Lust ich wieder zu dir gehe
da du nun etwas mehr erfahren bist
es kleidet dich, wie eine reife Frucht den Baum
Glaub mir, das hat der Nutzen mich gelehrt
drum scheinst du so erst recht mir als begehrenswert
ich hoff, du wirst mir solche Meinung zugesteh´n
und heißt mich nicht so rasch, doch meiner Wege gehn
Gedanken beim Abschied, so ganz allgemein
Ach so, auch Dir ganz rasch auf Wiedersehn
ich weiß, daß Du es mir nicht übel nimmst
und hoffe sehr, dass Du mich später noch mal kennst
ich hab´s sehr eilig jetzt und werde weiter geh´n
Es nässt der Regen Dir noch manches Jahr in das Gesicht
und wenn man sagt, dass wir die alten bleiben,
so steh´n wir morgen schon in einem neuen Licht.
Es bleibt uns nur, das Heute rasch voran zu treiben
Man wird nun stündlich leider immer älter
vielleicht auch klüger, nur so genau weiß man das nicht
und immer ist ein Ende noch nicht abzuseh´n.
Ich sorge mich, man wird vielleicht auch einmal kälter
Du machst die Augen zu vorm eigenen Gesicht
und wünschst, die Zeit manchmal zurück zu dreh´n
Über die Bleibe
Wenn auch die Zeiten heute kalt sind
so hoff ich doch, dass ich einst Wärme finde
durch stumme Häuserzeilen bläst ein fremder Wind
und dennoch lob ich sie, die wirren Winde
Sie kühlen mir die heiße Stirn
und geben mir zum Atmen reine Luft
so wird´ ich älter und ich seh die Häuser gern
in denen ich geweilt, oft mit verschied´ner Lust
Doch manchmal, wenn ich das Gesicht abwende
und weiter geh mit schnell´rem Schritt
wünsch ich, dass sich einst jemand fände
bei dem ich länger weilen kann, ich nähm´ ihn gerne mit
Ich denk, wir werden rasch zu Abend essen
und ist es spät, bleib ich auch noch die Nacht.
Mir träumt, ich hab die Straße ganz vergessen
so bleib ich da, sie hat mich nur gebracht.
Dichterlied
Ich kannte einst einen Dichter
der war auf sich selber so stolz
laut lachte ihn aus das Gelichter
da ward sein Gesicht starr wie Holz
Er wollte recht gerne weinen
doch lachten sie da noch mehr
was hätt´ es genutzt sein Greinen
um die missachtete Ehr
So ist es mit manchen Dingen
in dieser freundlichen Welt
doch trotzdem blieb er beim Singen
und brachte es damit zu Geld
Das Geld, das ward versoffen
versetzt in Whisky und Gin
so hat er sie richtig getroffen
die Mär von Ehre und Sinn
Kater
Apfel essend hänge ich
einen Strick um meinen Hals
an einem Baum
im nahen Walde leiert eine Dixieband
der kalte Wind pfeift mir durchs Hemd
die Apfelstücken bleiben mir
im Halse stecken
wenn das so weiter geht
muss ich
leider noch verrecken.
Freundlichkeit
Es ist gut, aus der Kälte zu treten
ich folge einladender Geste
es genügen schon wenige Worte
und Licht, wärmendes
so dank ich es
willens, jederzeit
auch freundlich zu sein
Lied von der (dreckigen) Unterwäsche (Selbsttröstung)
Verdrießlich ist oft das Gehabe großer Tiere
die sich so unabdingbar wichtig und ergaben dünken
Sie zahlen gern in Dollar, Westmark oder Lire
und wünschen, dass man springt, wenn sie nur winken
Mit ihnen kommen Damen die exotisch riechen
ein solcher Anblick tut dem Mittellosen manchmal weh
doch deshalb braucht man sich nicht gleich verkriechen
besonders wenn man dieses nicht vergisst
dass so ein Mann in seiner Unterwäsche
ein Mensch wie alle andern ist
So mancher unter uns fühlt manchmal so ein Drängen
dass er mit großen Taten Ruhm und Ehre sich erwirbt
Er sollte solch Gelüste besser an den Nagel hängen
manch einem ward die Haut dabei schon arg gegerbt
Die Großen teilen Größe lieber unter sich alleine
und an die süßen Früchte kommt der kleine Mann nicht ran
doch kommst du näher, machen sie dir Beine
denn nur von weitem siehst du Hoch als Größe an
Es tröstet, wenn man solches nicht vergisst
dass so ein großer Mensch in seiner Unterwäsche
ein Mensch wie alle andern ist.
Man hört die Männer öfter über Frauen klagen
mit ihrer Tugend und der Treue sei es nicht weit her
weil sie `nen Andern und Geschicktern ihnen vorgezogen haben
mir lamentieren diese Kerle viel zu sehr
Nur weil ein and´rer Mann gehalten hat, was er versprach
und stark nach Old Spice roch und Whisky trank
verdiente höchstens uns´re Dummheit solchen Krach
mich jedenfalls macht so ein Missgeschick nicht krank
Denn es ist besser, wenn man nicht vergisst
dass selbst Marie in ihrer Luxusunterwäsche doch nur `ne Frau wie alle andern ist.
1944 in Nordhausen am Harz geboren. Dort Schulbesuch mit Abitur. !962 bis 1964 Med. Schule Mühlhausen / Pfafferode. In dieser Zeit Mitglied eines Zirkels „Schreibender Arbeiter“. 1964-1970 Medizinstudium an der KMU Leipzig. Beginn der Facharztausbildung in Hochweitzschen. 1974 Wechsel an die Bezirksnervenklinik Brandenburg. Tätigkeit als Oberarzt an der Klinik für Soziotherapie, 1982-1992 Chefarzt der III. Psychiatrischen
Klinik. 1992-2011 Tätigkeit als niedergelassener Nervenarzt. Mit einer Internistin verheiratet, beide Kinder ebenfalls Mediziner.
Heutigentags Hobbygärtner, Schlaraffe, Dozent an der Med. Schule, Gutachter für das Amtsgericht, Büchernarr, Krimi- und Jazzfan, gelegentlich Großvater vom Dienst.