Denn bald wird es Herbst werden…
… Vielleicht hat er ja schon angefangen
Jetzt kann ich mich endlich wie ein Igel in mich zusammenziehen und mich in warme Umhänge hüllen, denn ich friere in dieser kalten Welt, aber jetzt wundert sich keiner oder sorgt sich um mich, denn bald wird es Herbst werden. Jetzt kann ich endlich zu Hause bleiben, lesen, Löcher in die Luft starren, den fernen Geräuschen draußen nachlauschen und keiner wundert sich oder will mich nach draußen locken, denn bald wird es Herbst werden.
Aufrecht kann ich den anderen auf ihren eiligen Wegen entgegengehen und ihnen in die Augen blicken und keiner meint, ich sei traurig, denn meine Augen spiegeln nur das Regengrau des Himmels, denn bald wird es Herbst werden. Ich kann mich vom Wind streicheln lassen, und schon die Vorfreude genießen, wenn es nun bald Herbst wird.
Endlich kann ich ungestört in der Dämmerung des Tages mit meinem Hund spazieren gehen und mich an den letzten grünen Blättern erfreuen und winzigen gerade noch erblüten Blumen, denn bald wird es Herbst werden. Keiner wundert sich über meine Eile am Tag, über meine Hektik, denn jeder versteht, dass ich noch Ernte einbringen will, denn bald wird es Herbst werden.
Ich kann mich nun an den Sommer erinnern, an seine Schönheiten, all das Unangenehme, Lästige hat der Wind wie welkes Laub hinweg geweht.
Eigentlich könnte ich mich nun schon auf den Winter freuen, denn bald wird es Herbst werden. Eigentlich ist er schon da. Ich kann dann meinen Innenraum neu einrichten und mich auf die Einsamkeit freuen, die ermöglicht, dass ich Wesen aus der anderen Welt begegnen kann. Ich kann in der dunklen Stille oder im stillen Dunkel auf das helle Klingen der erblühenden glänzenden Schnee- und Eiskristalle warten.
Aber jetzt muss ich aufräumen, Ordnung machen, Vorräte anlegen, denn bald wird es Herbst werden. Nein, er ist schon da.
<h5>Dr. phil. Helga Thomas. Geboren
am 31. Januar 1943 in Berlin.
Ausbildung und Arbeit als Analytikerin, Psychotherapeutin.
1976 Diplom am C. G. Jung-Institut. Für meinen Beruf war
die Erkenntnissuche wichtig. Mit 15 entdeckte ich nach der
Flucht aus Ostberlin das Briefe- und Tagebuch-Schreiben,
und mit 18 Jahren kam der Durchbruch zur Lyrik, meiner
eigentlichen Domäne. Vor meiner Ausbildung am Jung-Institut hatte ich Slavistik
und Germanistik studiert, und zu diesem Zweck hatte
ich noch zur Zeit des eisernen Vorhangs ein Jahr in Sofia
studiert, um Material für meine Doktorarbeit zu sammeln.
Seit 2003 bin ich mindestens zweimal im Jahr für längere
Zeit in Sofia, um dort Analysen und Supervisionen,
Seminare und Vorträge durchzuführen. Es ist „stimmig“,
dass in Bulgarien ein Teil meiner Bücher jetzt erschienen
ist, die Lyrik zum Teil zweisprachig.
Ich empfinde meine beiden Kinder als das Zentrum meines Lebens,
auch wenn sie inzwischen erwachsen sind (Tochter, geboren
1978, Heilpädagogin, Sohn, geboren 1979, Mediziner),
und meine beiden Enkeltöchter Luisa, geboren 2007 und
Mathilda, geboren 2009. Immer ist ein Hund an meiner
Seite.
Mein ganzes Leben habe ich geschrieben, aber heute
weiß ich, dass 1994 durch das dichterische Aufarbeiten
eines Traumas eine Blockade meines Schaffens gelöst
wurde. Mein Beruf kommt also mir selbst zugute in meinem
dichterischen Schaffen, und mein dichterisches
Schaffen hilft mir in meinen Beruf.
Meine mir wichtigsten Bücher:
Emotionen. Gedichte, Tegra Verlag, Sursee 2000. – Dunkelblüten
– Lichtsamen. Gedichte, Verlag CH. Möllemann,
Borchen 2003. – Warte, bis die Seerose blüht, Roman,
Verlag CH. Möllemann, Borchen, 2006. – Halt inne. Blick in
eine andere Richtung. Gedichte, Sofia 2007. – Lausch auf
den Atem verborgenen Lebens. Gedichte für Nelly Sachs
und Paul Celan, Borchen 2007 (hierfür erhielt ich 2008 den
Horst Joachim Rheindorf-Preis des Bundes Deutscher
Schriftstellerärzte). – Geschichten (m)einer Kindheit. Erzählungen,
Sursee 2007. – Lichträume, Räume der Liebe
und des Lebens, bulgarisch-deutsch, Sofia 2008. Urformen,
bulgarisch-deutsch, Gedichte, Sofia 2009. – Gesicht
im Fenster, Gedichte, Wien 2011.
Die Bücher sind zu beziehen über: Dr. Helga Thomas, Hammerstr. 10, 79540 Lörrach, und beim Verlag.<7h5>