Die Erde grünt deinetwegen
(1974)
Von Jaleh Esfahani (1921-2007)
Übersetzung aus dem Persischen von Amir Mortasawi und Andreas Schmidt
Die Erde grünt deinetwegen
und der Garten ist deinetwegen voller Farben geworden.
Vom wirren Singen der Vögel ist die Wiese voller Aufruhr.
Wieso sitzt du still?
Was betrübt dich?
Jetzt, wo ein neuer Frühling aufblüht,
pflückt die liebkosende Brise der Morgendämmerung Blüten
und wirft sie dem Wiedehopf zu Füßen.
Benimm dich wie junge Wesen,
wie die Bäume voller neuer Triebe.
Lebe froh, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Und schenke auch dem Nachbarn
einen Ast dieser Blume,
denn Schmerz und Trauer
begleiten uns wie der Schatten …
Der Frühling hat mir den Fleiß zum Erneuern beigebracht.
Wieso soll ich diesen Moment sinnlos verlieren,
denn das Jetzt ist ein Tropfen des Flusses meines Lebens,
und das verflossene Wasser wird in den Fluss nicht zurückkehren.
Wieso soll ich mit der Klinge der Traurigkeit den heutigen Tag enthaupten?
Wieso soll ich diese Geschichte akzeptieren,
dass das Leben erst am kommenden Tag ist?
Denn die Ewigkeit fängt mit jedem Moment an …
֎֎֎
Dr. med. Amir Mortasawi
1962 in Bam/Iran geboren wuchs ich in Teheran auf und besuchte dort eine iranische Grundschule. Nach Bestehen einer Aufnahmeprüfung gehörte ich zu den ersten iranischen Schülern, denen ab dem 5. Schuljahr an der Deutschen Schule Teheran im Rahmen eines Sonderprogramms Deutsch beigebracht wurde. Anfang 1979 reiste ich aus dem Iran aus. Nach Studium der Humanmedizin in Göttingen und Frankfurt absolvierte ich die Facharztausbildung in der Herzchirurgie. Seit Januar 2016 bin ich im Bereich der Psychosomatik tätig.
2009 veröffentlichte ich meine ersten Gedichte unter dem Pseudonym „Afsane Bahar“, das ich später als Künstlernamen beibehielt.
Im Dezember 2020 erschien mein Buch „Bilder einer Reise. Lyrik“ beim Verlag Seemann Publishing.