Beitrag zu der Lesung über „Inseln“ bei dem BDSÄ-Kongress in Wismar 2018
Die maßgeblichen Fragen, um an den Rand der Insel des Wissens zu gelangen
Der Titel ist das Tatmotiv meines verwegenen Essays. Trotz aller Zweifel, ob ich wis-senschaftlich handle, appellierte ich im Kloster Reichenau, der Gemüse-Insel im Untersee, an die Spitzenforscher unserer Erde, die fruchtlose Diskussion zu beenden. Ich hatte sie zum Thema „Am Rand des Wissens“ aufgerufen. Keiner von jenen, die mich erschrocken anblickten, rebellierte.
Ein Poet darf Spitzenforscher der Welt auf eine Insel des Wissens stellen. Ich regte sie an, sich gegenseitig Fragen zu stellen. Sie sollten als entfesselte Genies Ideen bringen, ohne fruchtlose Debatten loszutreten. Sie versuchten, die Frage des Vorredners zu übertreffen:
Werden wir einmal die linear erlebte Zeit verlassen können?
Gibt es eine Wissenschaft, deren Methode Erkenntnisse zu einem Abschluss bringt?
Wird die künstliche Intelligenz den digitalen Kapitalismus bändigen?
Entscheiden Betrüger den Fortschritt der Gesellschaft?
Welcher Algorhithmus garantiert die Entdeckung einer Wahrheit?
Wirken Obergrenzen der Besteuerung auf Lebensentwürfe ein?
Kann eine Maschine nachempfinden, wie Organismen fühlen?
Kann der Mensch nachfühlen, wie eine andere biologische Art fühlt, z.B. der Gorilla?
Welcher Art von Verstand bedarf es, um das Geist-Körper-Problem zu lösen?
Wie erschiene uns eine geistlose Welt, wie eine körperlose?
Wird Einiges vom Leben, Bewusstsein und Gesellschaft notwendig verborgen bleiben?
Welches Diagramm lässt unsere Vorstellungskraft verstehen?
Taucht das Bewusste nur im Gehirn eines selbst regulierenden Organismus auf?
Ist Unsterblichkeit wünschenswert?
Geduldig schüttelte ich den Kopf, bis ich meine Frage anbrachte: Wann arbeiten wir darauf hin, Fragestellungen erkenntnislogisch zu verbessern, bevor wir antworten? Die ehrwürdige alte Wanduhr gegenüber lief absolut gleichmäßig, die Spitzenforscher rückten die Stühle und forderten ein Beispiel. Ich stellte die letzte Frage in die Runde, auf die keiner antwortete:
Ist die Zahl der maßgeblichen Fragen, um an den Rand der Insel des Wissens zu gelangen, nun endlich oder unendlich? Zu gerne hätte ich noch gefragt, ob die Spitzenforscher ihre Ideen allein auf einer Insel des eigenen Gehirns bekommen oder nur, wenn sie von einer zur anderen Insel mehrerer Gehirne rudern.
Copyright Dr. Harald Rauchfuß
Dr. med. Harald Rauchfuß (*1945).
Ich stamme aus Böhmen, studierte in
Mainz Medizin und Anthropologie und
arbeitete an den Kliniken in München,
Stuttgart und Tübingen. Als niedergelassener
Neurologe, Psychiater und
Psychotherapeut (bis 2010) und Mitglied in Kommissionen
und Vorständen der Bayerischen
Landesärztekammer und der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns erlebte ich
den Strukturwandel ärztlicher Tätigkeit aus mehreren
Gesichtswinkeln.
Ich war von 2008 bis 2016 Präsident und bin seit Mai 2016 1. Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Schriftstellerärzte BDSÄ. Außerdem war ich Präsident
der Union Mondiale des Écrivains Médecins UMEM
Ich lebe in Mittelfranken und Oberbayern.