Somatische Mutation = Veränderung der Erbsubstanz von Körperzellen,
die z. B. Sommersprossen zugrunde liegt)
Frau Dr. R. hat einen Mann,
sie hat zwei kleine Kinder,
die liebt sie sehr, so oft sie kann,
und ihren Mann nicht minder.
Letzterer kommt heut spät nach Haus,
viel später als gewöhnlich,
denn eine kleine weiße Maus
hatte er höchstpersönlich
Im Zoogeschäft der Stadt gekauft,
statt Blumen – es ist Winter –
und auf den Namen Max getauft,
zur Freude für die Kinder.
Die Freude ist auch riesengroß
über das Tier im Kasten,
doch plötzlich geht der Teufel los,
beginnt ein wildes Hasten.
Die Maus ist aus dem Bau gehupft,
trotz Mohrrübe und Rettich,
und der Papa, darob verschnupft,
begibt sich auf den Teppich.
Und als er sie hervorgelockt
unter der Fernsehtruhe,
und sie nun zitternd vor ihm hockt,
wird endlich wieder Ruhe.
Nur die Mama, die Frau Doktor,
scheint noch wie aus dem Häuschen,
weil just das Tier, das kurz zuvor
weiß war, ein graues Mäuschen
Geworden ist. Welch Sensation!
Sie jubelt: „Das ist sicher
eine plötzliche Mutation!“
Der Mann macht: „Kicher, kicher“.
„Ja eine Publikation
für die ‚Versuchstierkunde’
schreib ich!“ Sie sucht die Worte schon
und blickt froh in die Runde.
Der Mann, der nicht so sehr gelehrt,
ihr jeden Gegenblick verwehrt
und murrt: „Das kommt, wenn alle Ecken
bei uns so fürchterlich verdrecken.“
Frau Doktor hat wohl nichts entdeckt.
Das Ganze war ein Dreckeffekt.
Copyright Prof. Dr. Paul Rother
Paul Rother wurde 1936 in Mamba (am Kilimandscharo) geboren. Nach dem Medizinstudium arbeitete er an Kliniken in Chemnitz und danach 41 Jahre am Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie der Universität Leipzig, die letzten 17 Jahre als Professor. Nach seiner Emeritierung 2001 begann er ein geisteswissenschaftliches Zweitstudium (Geschichte, Psychologie und Russistik) und schloss es 2006 mit den Magisterexamina ab. Er hat in verschiedenen Zeitschriften literarische Texte publiziert und drei Büchlein. u.a. „Erst ein Weiser, dann ein Kind“ im Verlag Steinmeier, Deiningen, 2001, veröffentlicht.