Römer und Germanen, Italiener und Deutsche sind von alters her verbunden in Freud und Leid, in Freundschaft und Feindschaft, in Herablassung und Bewunderung. Was dem Deutschen sein Fleckerl-Teppich (Sachsen-Weimar-Eisennach, Reuß jüngere Linie, Löwenstein-Wertheim-Freudenberg) ist dem Italiener sein Campanilismo. Germanicus war ein Beiname derjenigen römischen Feldherren und Kaiser, denen es gelang, die Scharte der verlorenen Varusschlacht auszuwetzen und sich – vorübergehend – ein namhaftes Stück Germanien einzuverleiben.
Anfangs bestehen die römischen Militärlager aus Erdwällen mit hölzernen Palisaden, die Unterkünfte aus ledernen Zelten[1]. Im Jahre 2 n. Chr. beschreibt der Geometer Hygin (Hyginus Gromaticus) wie ein Castrum entsteht. Vermessungs-Ingenieure stecken die beiden Hauptachsen, den Cardo und den Decumanus, ab. Für rechte Winkel benutzt man eine Kombination aus Lot und Visiergerät, die Groma[2]. Das Haupttor, die Porta praetoria, öffnet sich in Marschrichtung, gegen den Feind, An der höchsten Stelle des Lagers befindet sich die Porta decumana. In der Mitte liegen die Stabsgebäude/Principia, mit dem Fahnenheiligtum und dem Bildnis des Kaisers[3], das Praetorium, der Sitz des Kommandanten und die Mannschaftsbaracken/Centuriae. Vorratsgebäude, Werkstätten und Lazarett/Valetudinarium, schließen sich an. Letzteres gehört, wie wir aus Xanten/Vetera wissen, zu den ersten unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) aus Stein errichteten Bauwerken[4], deren Identifizierung mit Hilfe der dort gefundenen medizinischen Instrumente gelingt. Im Valetudinarium wurden die Soldaten sowohl ambulant als auch stationär behandelt. Ihre Gesundheit zu erhalten ist erstrangig. Über Aquädukte wird frisches Wasser herangeführt.
Abb. 1: Pont du Gard bei Nîmes, Provence, Aufnahme der Verfasserin
Die Badegebäude/Thermen liegen meist vor den Kastell-Mauern. Mittels Fußbodenheizungen/Hypokausten werden die Warmbäder/ Caldarien erwärmt.
Abb. 2: Hypokausten, Leptis Magna/Libyen, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin (2009)
Wie die Stabs- und Mannschaftsgebäude verfügen auch Thermen über Gemeinschafts-Toiletten/Latrinen. Viele sind mit einer ständigen Wasserspülung ausgestattet.
Abb. 3: Latrine in der Hafentherme von Leptis Magna / Libyen, Aufnahme der Verfasserin (2009)
Die Therapie ist nicht in jedem Fall unangenehm. In Aquincum erhält die Legio Secunda Adiutrix zollfreien Wein für das Lazarett. Der griechische Arzt Dioskourides (1. Jh. n. Chr.) empfiehlt Wein gegen Husten. Arzneien werden häufig mit Wein gemischt[5].
Vor der Einstellung des Rekruten steht eine körperliche Untersuchung. Ungeeignete werden ausgesondert. Exerzieren ist an der Tagesordnung. Marschübungen im Laufschritt bezeichnet man als ambulatus – Spaziergang[6]!
Militärärzte sind im Allgemeinen Unfreie, oft griechische Kriegsgefangene. Sie bekleiden keinen besonders hohen Rang, bringen es allenfalls zum Hauptmann, oft nur zum Sanitätsgefreiten; doch da sie die medizinische Versorgung der Truppen gewährleisten, verleiht ihnen bereits Caesar im Jahr 46 v. Chr. das römische Bürgerrecht[7].
Müssen Rekruten wegen schwerer Verletzungsfolgen oder körperlicher bzw. geistiger Gebrechen vorzeitig ausgemustert werden, so entspricht das der ehrenhaften Entlassung. Sie durften dann heiraten und erhielten ein Stück Land[8].
Seit Augustus gilt für dienstverpflichtete Soldaten das Eheverbot. Erst mit der ehrenvollen Entlassung, also nach wenigstens 25-jähriger Dienstzeit, erhalten sie das Recht auf Eheschließung. Das ändert sich unter Septimius Severus (193-211), der auch den aktiven Soldaten die Heirat gestattet. Vorher waren Soldatenehen und die vielen eheähnlichen Verhältnisse rechtsunwirksam; sogar eine vorher geschlossene Ehe begann mit dem Eintritt des Rekruten ins Heer zu ruhen. Die zahlreichen Kinder „ex castris“ hatten vor allem erbrechtliche Nachteile. Darüber wissen wir aus den erhaltenen Militärdiplomen:
„Der Imperator Caesar………..gibt denjenigen Reitern und Fußsoldaten………deren Namen unten angegeben sind, ihren Kindern und Nachkommen das Bürgerrecht und das Eherecht mit den Frauen, die sie zu diesem Zeitpunkt schon hatten, oder wenn sie Junggesellen sind, mit denen, die sie später nehmen, jedoch nur mit einer.“
Dass die Sorge des Kaisers für seine Soldaten noch in anderer Weise über den Zeitpunkt der Dienstentlassung hinaus gehen konnte, besagt die Bauinschrift an einem Balneum in Singidunum/Moesia superior (Belgrad): Dieses Bad steht ausschließlich „in usum emeritis quondam Alexandriae“, dem Gebrauch durch die Veteranen der 4. Legion Severiana Alexandrina zur Verfügung[9]. Aus dem Namen der Legion geht der des Kaisers Severus Alexander hervor. Wir befinden uns in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.
Die Kleidung des Soldaten besteht gewöhnlich in einer kurzärmeligen Tunica, einem Mantel und den Caligae[10] für die Füße. Der Feldzeichenträger/Signifer (Abb. 4) ist mit einer langärmeligen Tunicaa mancata bekleidet. Sein Haarschnitt entspricht dem des Kaisers, Traianus.
Abb. 4: Grabrelief, Aquincum/Pannonien, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin
Gefangene Barbaren (Chatten?) stellt man spärlich bekleidet, mit grobschlächtigen Körpern und strähnigen Haaren dar (Abb. 5). Sie sind schmachvoll aneinander gekettet, die Hände hinter dem Rücken gefesselt[11].
Abb. 5: Sockelrelief aus Mainz-Kästrich, 2. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin
Als Schutzgötter verehren die Soldaten Diana, Merkur, Kastor und Pollux, aber auch die Heilkundigen, Asklepios und Hygieia/Salus. Die Auxiliartruppen behalten ihre Stammesgötter wie die keltische Pferdegöttin Epona. In einem Militär-Schwimmbad in Bu-Ngem/Tripolitana fand sich ein aus dem Jahr 203 n. Chr. entstandenes Weihgedicht an die Göttin Salus, verfasst von dem Zenturionen Q. Avidius Quintianus[12], der einerseits die glückliche Rückkehr des Heeres und andererseits die Wohltat des Wassers in der Gluthitze des Südens preist.
Am germanischen Limes liegen im Abstand von 15 bis 20 km die durch Wachtürme kontrollierten Auxiliar-Kastelle. Einen florierenden kleinen Grenzverkehr bezeugen noch heute die lange vor dem Einmarsch unserer Befreier aus dem Westen genetisch fixierten klassischen Nasen und das dunklere Hautkolorit meiner Cousinen!
Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) hat es in unnachahmliche Verse gegossen:
Ein Römer stand in finst’rer Nacht
Am deutschen Grenzwall Posten…
An eine Jungfrau Chattenstamms
Hat er sein Herz vertandelt,
Er war ihr oft im Lederwams
Als Kaufmann zugewandelt…
Abgekürzt zitierte Literatur:
Busch 1999: St. Busch, Versus Balnearum (Stuttgart und Leipzig 1999)
Johnson 1987: A. Johnson, Römische Kastelle (Mainz 1987)
Junkelmann 82000: M. Junkelmann, Die Legionen des Augustus (Mainz 82000)
Selzer 1988: W. Selzer, Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit (Mainz 1988)
Steger 2004: F. Steger, Asklepiosmediin. Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit (Stuttgart 2004)
[1] Die älteste ausführliche Beschreibung stammt von Polybios aus der Mitte des 2. Jh. v. Chr. Pol. VI.
[2] Johnon 1987, 54 f. Abb. 22.
[3] Tac. Hist. III, 13; An. IV, 2.
[4] Johnon 1987, 257.
[5] Johnson 1987, 182.
[6] Vegetius I, 27; III, 2; Johnson a. O. 179.
[7] Steger 2004, 49 und Anm. 207.
[8] Steger 2004, 69.
[9] Busch 1999, 266 f.
[10] Junkelmann 82000, 96 Taf. 25. 158-161 Abb. 9.
[11] Selzer 1988, 69. 241 Kat. 263 Abb. 47.
[12] Busch 1999, 560-563.
Dr. med. Dr. phil. Waltrud Wamser-Krasznai, geb. 1939 in Darmstadt. Studium der Medizin in Freiburg und Marburg, 1965 Promotion zum Dr. med. Kassenarztpraxis als Fachärztin für Orthopädie 1974-2007, anschließend privatärztlich tätig.
1996 Magister artium in Gießen (Klassische Archäologie, Alte Geschichte).
2003 Promotion zum Dr. phil. Freie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Klassische Archäologie der JLU Gießen.
Bibliographie. Auswahl:
2000: Frauenraubszene. Eine Kalksteingruppe aus Tamassos, in: Periplus. Festschr. Hans-Günter Buchholz
2003: Drei Terrakottastatuetten, in: Die Akropolis von Perge I (Mainz 2003)
2006: Irdische Füße olympischer Götter (mit M. Hundeiker, M. Recke)
2007: Antike Weihgeschenke im Blickpunkt der Andrologie, in: Kleine Kulturgeschichte der Haut, 100-103
2007: Tempelknaben in Tamassos (mit H.-G. Buchholz) RDAC 2007, 229-256
2008: Kultische Anatomie (mit M. Recke). Katalog und Broschüre zur Ausstellung im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt
2011: Die Gicht! Eine Hure ist sie, eine verfluchte Hure! Die Gelenkleiden des Hermann Hesse, Orthopädie & Rheuma
2012: Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, Les études classiques 80, 2012, 55-72
2012-2013: Auf schmalem Pfad (Minerva Verlag Budapest)
2013: Für Götter gelagert. Studien zu Typen und Deutung Tarentiner Symposiasten (Minerva Verlag Budapest)
2015: Fließende Grenzen (Minerva Verlag Budapest)
2015: Aphrodite auf der Akropolis von Perge? (mit M. Recke) in: Figurines de terre cuite en Méditerranée grecque et romaine (Villeneuve d’Ascq 2015) 547-553
2016: Beschwingte Füße (Minerva-Verlag Budapest)
2017: Streufunde. Aus Archäologie und Dichtung (Weinmann Filderstadt)
2017: Katalog ausgewählter tier- und menschengestaltiger Figurinen, in: Die Akropolis von Perge (Antalya 2017) 427-454
2017: Terrakotta- Plaketten mit weiblichen Figuren („Astarteplaketten“) aus Tamassos, RDAC 2011-12 (Nikosia 2017) 513-545
2018: Scholien und Spolien (Weinmann Filderstadt)
2018: Mäander (Weinmann Filderstadt)
2019: Alpha-Götter 19.12.2019 (Weinmann Filderstadt)
2021: Füllhorn (Weinmann Filderstadt 2021)
2023: Nachlese (Minerva-Verlag Budapest)
2024: Asklepiaden (Minerva-Verlag Budapest)