Ein Gedicht von Mohammad Reza Shafi‘i Kadkani
Übersetzung aus dem Persischen von Afsane Bahar
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Ich habe diesen Baum
im Gange des Jahres
in vier Kleidern gesehen und begutachtet.
Viele Gedichte habe ich ebenfalls für ihn geschrieben:
im Engelskleid des Schnees,
in kurzen Ärmeln der Tage von Farvardin [1],
im grenzenlosen Grün des Sommers
wie ein zarter Seidenstoff,
in den Winden wehend
mit gelben und roten Seidenfasern des Herbstes.
۞
In keinem Kleid kam er besser zur Geltung
als im Moment der Erneuerung aus der Tiefe des Alterns,
während der letzten Tage von Esfand [2],
im erhabenen, ausdrucksvollen Kleid der Nacktheit.
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[1] Farvardin (deutsche Schreibweise: Farwardin) ist der erste Monat des iranischen Sonnenjahres und fängt mit dem Beginn des Frühlings (normalerweise am 21. März) an.
[2] Esfand ist der zwölfte und letzte Monat des iranischen Sonnenjahres und dauert von ca. 20. Februar bis 20. März.
Dr. med. Amir Mortasawi
1962 in Bam/Iran geboren wuchs ich in Teheran auf und besuchte dort eine iranische Grundschule. Nach Bestehen einer Aufnahmeprüfung gehörte ich zu den ersten iranischen Schülern, denen ab dem 5. Schuljahr an der Deutschen Schule Teheran im Rahmen eines Sonderprogramms Deutsch beigebracht wurde. Anfang 1979 reiste ich aus dem Iran aus. Nach Studium der Humanmedizin in Göttingen und Frankfurt absolvierte ich die Facharztausbildung in der Herzchirurgie. Seit Januar 2016 bin ich im Bereich der Psychosomatik tätig.
2009 veröffentlichte ich meine ersten Gedichte unter dem Pseudonym „Afsane Bahar“, das ich später als Künstlernamen beibehielt.
Im Dezember 2020 erschien mein Buch „Bilder einer Reise. Lyrik“ beim Verlag Seemann Publishing.