Der junge Fähnrich István Krazňai dient in der Leibgarde der Kaiserin Maria Theresia in Wien und sieht während eines Kontrollgangs, wie sich ein Frauenzimmer in lebhaftem Gespräch aus dem Fenster beugt. Das runde Hinterteil wölbt sich ihm verlockend entgegen, er kann nicht widerstehen und haut kräftig drauf. Die Gestalt fährt herum und – o Schreck! – es ist die Kaiserin. Er bricht ins Knie und stammelt: „Majestät, wenn Ihr Herz ebenso hart ist wie Ihr Hintern, dann bin ich ein verlorener Mann.“ Aber sie: „So verloren sehen Sie mir gar nicht aus…kommen Sie doch mal…“. Von Stund‘ an tritt er in „innere Dienste“…
Einem On dit zu Folge hatte Maria Theresia 16 Kinder von 18 Männern. Sie vergaß keinen von ihnen, die Geschichte geht weiter. Im Alter von etwa 60 Jahren, was damals wirklich alt war, ruft sie alle ihre Liebhaber zusammen. Sie trägt ein kostbares Gewand, das mit 18 Knöpfen aus Brillantsplittern besetzt ist. Im Nu öffnet sie alle Knöpfe, lässt ihr Kleid fallen und jeder der anwesenden Männer erhält einen Knopf. Sie tragen ihn in einem Ring am Finger und haben damit jeder Zeit Zutritt zur Kaiserin.
Krazňai ist bis dahin nur Vítéz, ein frei Geborener, für dessen Unterhalt und Waffen die Königin sorgt (bekanntlich ist sie ja in Ungarn nicht Kaiserin sondern Königin, K. und K.). Jetzt beschenkt sie ihn mit einem namhaften Anwesen, das ihr – mit Verlaub – gar nicht gehört, im Niemandsland, gyepű, zwischen der Österreich-Ungarischen Monarchie und dem Kiewer Großherzogtum (Russland). Dazu erhält der Vitéz noch einen endlos langen gräflichen Namen, nach der Kraszna, einem Nebenflüsschen der Theiss, und einer gleichnamigen Burg auf einer höchst unzugänglichen Bergspitze. So aber lautet der Name: „Vitéz alsó-krasznai és felső-krasznai továbbá kraszna-horkai krasznai KRASZNAY“. Davon ist nach dem Sieg des Sozialismus nur noch ein schlichtes „Krasznai“ übrig.
Selbst wenn die Geschichte erfunden wäre, hätte sie ihren Charme.
Aber es gibt diese Knöpfe! Der jetzige Eigentümer Petúr Krasznai hat den seinen noch einmal neu und solide fassen lassen. Eines Tages hält er sich in einem überfüllten Warschauer Bus an der oberen Haltestange fest und neben seiner Hand mit dem funkelnden Ring wird die Stange von einer weiteren männlichen Hand, die ebenfalls mit einem Maria-Theresien-Ring geschmückt ist, umklammert. „Dann sind wir wohl verschwägert???!“
Der Ring wird gewöhnlich an den ältesten Krasznai-Sohn weitergegeben. Petúr hat für seinen Knopf eine weit bedeutsamere zukünftige Verwendung gefunden, nämlich in einer Knopfsammlung, möglicherweise in einem Knopf-Museum, einer Initiative unserer Nichte, einer promovierten Juristin.
Dr.med. Dr.phil. Waltrud Wamser-Krasznai
Vereidigte Burgschreiberin „von und zu“ Kraszna-Horka
Dr. med. Dr. phil. Waltrud Wamser-Krasznai, geb. 1939 in Darmstadt. Studium der Medizin in Freiburg und Marburg, 1965 Promotion zum Dr. med. Kassenarztpraxis als Fachärztin für Orthopädie 1974-2007, anschließend privatärztlich tätig.
1996 Magister artium in Gießen (Klassische Archäologie, Alte Geschichte).
2003 Promotion zum Dr. phil. Freie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Klassische Archäologie der JLU Gießen.
Bibliographie. Auswahl:
2000: Frauenraubszene. Eine Kalksteingruppe aus Tamassos, in: Periplus. Festschr. Hans-Günter Buchholz
2003: Drei Terrakottastatuetten, in: Die Akropolis von Perge I (Mainz 2003)
2006: Irdische Füße olympischer Götter (mit M. Hundeiker, M. Recke)
2007: Antike Weihgeschenke im Blickpunkt der Andrologie, in: Kleine Kulturgeschichte der Haut, 100-103
2007: Tempelknaben in Tamassos (mit H.-G. Buchholz) RDAC 2007, 229-256
2008: Kultische Anatomie (mit M. Recke). Katalog und Broschüre zur Ausstellung im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt
2011: Die Gicht! Eine Hure ist sie, eine verfluchte Hure! Die Gelenkleiden des Hermann Hesse, Orthopädie & Rheuma
2012: Wie man sich bettet…Lager und Lagern in antiken Heil-Heiligtümern, Les études classiques 80, 2012, 55-72
2012-2013: Auf schmalem Pfad (Minerva Verlag Budapest)
2013: Für Götter gelagert. Studien zu Typen und Deutung Tarentiner Symposiasten (Minerva Verlag Budapest)
2015: Fließende Grenzen (Minerva Verlag Budapest)
2015: Aphrodite auf der Akropolis von Perge? (mit M. Recke) in: Figurines de terre cuite en Méditerranée grecque et romaine (Villeneuve d’Ascq 2015) 547-553
2016: Beschwingte Füße (Minerva-Verlag Budapest)
2017: Streufunde. Aus Archäologie und Dichtung (Weinmann Filderstadt)
2017: Katalog ausgewählter tier- und menschengestaltiger Figurinen, in: Die Akropolis von Perge (Antalya 2017) 427-454
2017: Terrakotta- Plaketten mit weiblichen Figuren („Astarteplaketten“) aus Tamassos, RDAC 2011-12 (Nikosia 2017) 513-545
2018: Scholien und Spolien (Weinmann Filderstadt)
2018: Mäander (Weinmann Filderstadt)
2019: Alpha-Götter 19.12.2019 (Weinmann Filderstadt)
2021: Füllhorn (Weinmann Filderstadt 2021)
2023: Nachlese (Minerva-Verlag Budapest)
2024: Asklepiaden (Minerva-Verlag Budapest)