Beiträge zur Lesung „Gärten“, BDSÄ-Kongress Mai 2016
Im Gras vor der alten
kleinen Kirche
blühen Schneeglöckchen
Kokitche werden sie
in Bulgarien genannt
Sie sind weiß wie
die Lilie die
der Engel
der Jungfrau reichte
Weiß
wie Schnee
wie die Milch
der Mutter
Drei Blütenblätter
umfassen den Becher
der sich zur Erde neigt
Drei
wie Vater Mutter und Kind
wie die Frau
die gleichzeitig auch
Mutter und Tochter ist
Eine Dreiheit
wie Vater Sohn
und Heiliger Geist
Wo sind deine drei
anderen Blütenblätter
verborgen?
Wohin sind sie verschwunden?
Oder wem
hast du sie geschenkt?
Helga Thomas
20.2.2016
Nachtrag vom 2.3.16:
Ich schenkte sie dem Künstler
der sie zum Becher schuf
zum Abbild des
Heiligen Gral
versteckt
in der Mitte der Drei
Das Schneeglöckchen dankt
der Wärme
dem Licht
indem es sich öffnend
sich nieder zur Erde neigt
Vielleicht
sagt es dem Schnee
dass er das Tauen
nicht fürchten muss
Freude wird ihn erfüllen
wenn Tropfen um Tropfen
er sich löst
Freude wird auch die Erde erfüllen
denn das Schneeglöckchen versprach:
ich werde dir schenken
was jetzt in mir wächst
13.2.2016
Als Kind sprach ich
als ich noch nicht sprechen konnte
mit den Blättern im Wind
mit dem im Baum verborgenen Gesicht
das dem Gesicht der Mutter glich
und in manchen Nächten
zum Mond heimgekehrt war
Als Kind ging ich
spazieren im Garten
mit Wunderbäumen
und Zauberblumen
die ich mir selbst erschaffen habe
Als Kind liebkoste ich
mein kleines Tier im Arm
das meinen Schlaf beschützte
und am Tage nur ein Bettzipfel schien
Als Kind war das mein Alltag
und heute fühle ich mict glücklich
und meine es ei ein besonderer Tag
wenn es mir wieder gelingt
Copyright Dr. Helga Thomas
<h5>Dr. phil. Helga Thomas. Geboren
am 31. Januar 1943 in Berlin.
Ausbildung und Arbeit als Analytikerin, Psychotherapeutin.
1976 Diplom am C. G. Jung-Institut. Für meinen Beruf war
die Erkenntnissuche wichtig. Mit 15 entdeckte ich nach der
Flucht aus Ostberlin das Briefe- und Tagebuch-Schreiben,
und mit 18 Jahren kam der Durchbruch zur Lyrik, meiner
eigentlichen Domäne. Vor meiner Ausbildung am Jung-Institut hatte ich Slavistik
und Germanistik studiert, und zu diesem Zweck hatte
ich noch zur Zeit des eisernen Vorhangs ein Jahr in Sofia
studiert, um Material für meine Doktorarbeit zu sammeln.
Seit 2003 bin ich mindestens zweimal im Jahr für längere
Zeit in Sofia, um dort Analysen und Supervisionen,
Seminare und Vorträge durchzuführen. Es ist „stimmig“,
dass in Bulgarien ein Teil meiner Bücher jetzt erschienen
ist, die Lyrik zum Teil zweisprachig.
Ich empfinde meine beiden Kinder als das Zentrum meines Lebens,
auch wenn sie inzwischen erwachsen sind (Tochter, geboren
1978, Heilpädagogin, Sohn, geboren 1979, Mediziner),
und meine beiden Enkeltöchter Luisa, geboren 2007 und
Mathilda, geboren 2009. Immer ist ein Hund an meiner
Seite.
Mein ganzes Leben habe ich geschrieben, aber heute
weiß ich, dass 1994 durch das dichterische Aufarbeiten
eines Traumas eine Blockade meines Schaffens gelöst
wurde. Mein Beruf kommt also mir selbst zugute in meinem
dichterischen Schaffen, und mein dichterisches
Schaffen hilft mir in meinen Beruf.
Meine mir wichtigsten Bücher:
Emotionen. Gedichte, Tegra Verlag, Sursee 2000. – Dunkelblüten
– Lichtsamen. Gedichte, Verlag CH. Möllemann,
Borchen 2003. – Warte, bis die Seerose blüht, Roman,
Verlag CH. Möllemann, Borchen, 2006. – Halt inne. Blick in
eine andere Richtung. Gedichte, Sofia 2007. – Lausch auf
den Atem verborgenen Lebens. Gedichte für Nelly Sachs
und Paul Celan, Borchen 2007 (hierfür erhielt ich 2008 den
Horst Joachim Rheindorf-Preis des Bundes Deutscher
Schriftstellerärzte). – Geschichten (m)einer Kindheit. Erzählungen,
Sursee 2007. – Lichträume, Räume der Liebe
und des Lebens, bulgarisch-deutsch, Sofia 2008. Urformen,
bulgarisch-deutsch, Gedichte, Sofia 2009. – Gesicht
im Fenster, Gedichte, Wien 2011.
Die Bücher sind zu beziehen über: Dr. Helga Thomas, Hammerstr. 10, 79540 Lörrach, und beim Verlag.<7h5>