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Masken und kein Ende (Waltrud Wamser-Krasznai)

Hilfsmittel zwischen Last und Nutzen – heute und in alter Zeit

    Kaum etwas anderes ist uns augenblicklich so lästig wie die Maske.

Das Wort kommt aus dem Arabischen, Maskharat, und bedeutet Narr, Posse, Scherz. Über das französische Masque und das italienische Maschera gelangte es in die deutsche Sprache, und es überrascht uns kaum, dass der Name für Wimperntusche, Maskara, nichts anderes bedeutet als Possenspiel oder Narrheit. Schauspieler „machen Maske“ wenn sie für den Auftritt hergerichtet werden. Der Schminkraum im Theater heißt kurz „die Maske“. 

In der antiken Kunst bezeichnet man als Masken die vom Kopf vertikal abgetrennten Gesichter, die sich durch ihren starren Ausdruck, ihre übersteigerte Mimik und ihre unnatürlichen Züge als künstlich erweisen[1]. Anders als eine   Protome oder Büste schließt die Maske am Kinn oder mit der Bartspitze ab. Daher trifft das Wort „Maske“, das wir in der jetzigen Pandemie-Situation für  die vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung verwenden, nicht so richtig ins Schwarze. Besser wäre „Halbmaske“, doch denken wir dabei eher an die Verkleidung der oberen Gesichtshälfte – aus virologischer Sicht natürlich unsinnig. 

                 

Abb. 1 Kleine Halb-„Maske“ aus Bronze, Lucus Feroniae, „4.-2. Jh. v. Chr.“, nach: Baggieri 1999, 92 Abb. 7

    Wie die „blinden“ Augen des kleinen Bronzevotivs  (Abb. 1) zeigen, trifft der Ausdruck Maske auch hier nicht zu. Ob es sich allerdings, wie der Autor suggeriert[2], um die Darstellung einer Augenkrankheit handelt, ist mehr als fraglich.   

    Antike Theatermasken bedecken nicht nur das Gesicht, sondern umschließen den Kopf einschließlich Hinterhaupt und Haaren. Eine Schlaufe erleichtert die Handhabung[3] (Abb. 2).

                             

Abb. 2: Gefäßfragment Athen, um 470 v. Chr.,  nach Bieber 1961, 23 Abb. 74

     Lebensgroße zum Teil Schrecken erregende Terrakotta-Masken aus dem 7. und frühen 6. Jh. v. Chr. wurden aus dem Heiligtum der Artemis Orthia bei Sparta[4] und aus Opfergruben von Tiryns geborgen. Für den Gebrauch waren sie zu schwer und zu scharfkantig; sie hatten ihre Funktion im Kult der Göttinnen Artemis und Demeter. In den religiösen Festen des Dionysos sollte das Tragen von Masken aus Holz, Leder oder Leinwand die kultische Vereinigung mit dem Gott gewährleisten. Seit dem späteren 6. Jh. v. Chr. wurde der Brauch in die szenischen Aufführungen übernommen[5]

    Dionysos, der Gott des Theaters, gilt als Maskengott schlechthin. Zwar fließen die antiken Schriftquellen zu diesem Thema nur spärlich[6], doch gibt es bildliche Darstellungen von der Verehrung des Gottes in Maskenform[7].

    Das Relief (Abb. 3) zeigt ein Standbild des Dionysos, vor dessen Angesicht die Personifikation der Bühne, Skene, und der Dichter Euripides gemeinsam eine Maske halten[8]. Die drei Namen sind beigeschrieben.         

              

Abb. 3: Marmor-Relief Istanbul, ca. 1. Jh. v. Chr.-1. Jh. n. Chr., Aufnahme der Verfasserin.

    Hinter den Protagonisten erkennt man jeweils einen kleinen Altar mit einer weiteren Maske. So ist der Gott dreifach gegenwärtig, im Kultbild und in „Persona“, wie die Maske im Lateinischen heißt. Unser Wort Person beschreibt daher ein Wesen, das sein wahres Gesicht hinter einer Maske verbirgt!

In Gräbern und Heiligtümern bestehen Masken zumeist aus Ton, Marmor oder – selten – aus Kalkstein. Sie besitzen keine Rückseite, sind ganz auf  ‚Konfrontation‘, auf die Vorderansicht hin, angelegt. Prósopon – das was man ansieht – ist das griechische Wort für Maske. Widersprüchlich kann sie sein, belustigend und furchteinflößend zugleich. Der Spötter Martial hat diese Ambivalenz in ein Epigramm gefasst[9]:  

Persona Germana

    Sum figuli lusus russi persona Batavi,
    quae tu derides, haec timet ora puer.

Germanische Maske

    Scherz eines Tonbildners bin ich, Maske des roten Batavers,
    Magst du auch lachen, jedoch ängstigt die Fratze das Kind[10].

         

Abb. 4: Tonmaske aus Alteburg bei Köln, frühe römische Kaiserzeit, Aufnahme: H. Rose, Köln

    Die Augäpfel (Abb. 4) mögen aus einem anderen Material eingesetzt gewesen sein, was die erschreckende Wirkung sicher noch steigerte.

    Aus den Nordwestprovinzen des römischen Reiches kennen wir weibliche Terrakotta-Masken im Miniatur-Format, die im 3. und 4. Jahrhundert

n. Chr. entstanden. Im Gegensatz zu den leeren, offenen Augenhöhlen sind die Lippen fest geschlossen (Abb. 5)[11].                                  

                                  

Abb. 5: Miniaturmaske, Gießen T II-2., Aufnahme N. Eschbach, Gießen

    Dies erinnert an die Pantomime, den stummen rhythmischen Tanz, der sich seit dem Ende der römischen Republik bis zum 6. Jh. n. Chr. großer Beliebtheit erfreute. Tänzerinnen und Tänzer drücken den Inhalt ganzer Dramen allein durch die Bewegungen ihres Körpers und der Hände aus. Nur die Masken werden entsprechend den Rollen gewechselt. Solo-Sänger oder Chöre, unterstützt von Klang-Instrumenten, bringen die Texte zu Gehör[12].

    Bei Terrakotta-Masken aus etruskischen Votivdepots ist die Augenpartie nicht offen, sondern wie bei den Gesichtern von Statuen geschlossen und ausgearbeitet[13] (Abb. 6).  

                

Abb. 6: Terrakotta-Votiv aus Narce/Latium 3./2. Jh. v. Chr., Nach: Fabbri 2019, 70 Abb. 23 a

    Als Adressaten für Augen- und Masken-Votive gelten die Gottheiten Selvans/Silvanus, Vei/Ceres, Bona Dea, Menerva/Minerva, Apollo, Feronia, Nortia, Fortuna und die Nymphen. Da aber die epigraphischen Belege fehlen,  bleiben Zuordnungen meist spekulativ[14].      

    Wir Heutigen aber werden noch für geraume Zeit „Masken“-Träger sein. Das ist keineswegs beispiellos. Während der Epidemien – im 17. Jahrhundert sorgte die Pest u. a. in Venedig 18 Monate lang für Angst und Schrecken  – trugen die Ärzte Masken mit schnabelartig verlängerten Nasen, die eine Kräuterfüllung zur vermeintlichen Reinigung der Luft enthielten (Abb. 7). 

                                    

Abb. 7: Ärztin mit Pestmaske, Aufnahme: Petúr L. Krasznai, Budapest

Also: Pazienza!

Abgekürzt zitierte Literatur und Abbildungsnachweis:

Baggieri 1999: G. Baggieri, Archaeology, Religion and Medicine (1999) 80-103, Abb. 1

Bieber 1961: M. Bieber, The History of Greek and Roman Theater (Princeton 1961)    Abb. 2

Fabbri 2019: F. Fabbri, Votivi anatomici fittili (Bologna 2019)    Abb. 6

Frickenhaus 1912: A. Frickenhaus, Lenäenvasen. 72. BWPr 1912

Froning 2002: H. Froning, Masken und Kostüme, in: S. Moraw – E. Nölle (Hrsg.), Die Geburt des Theaters in der griechischen Antike (Mainz 2002) 70-95

Grassinger – Scholl 2008: D. Grassinger – A. Scholl, Dionysische Skulptur in der Berliner Antikensammlung, in: R. Schlesier – A. Schwarzmaier (Hrsg.), Dionysos. Verwandlung und Ekstase (Berlin 2008) 107-117

Lezzi-Hafter – Zindel 1991: A. Lezzi-Hafter – Chr. Zindel (Hrsg.), Dionysos. Mythes et Mystères.Vases de Spina (Kilchberg / Zürich 1991)

Moraw 2002: Die großen Dramatiker – Aischylos, Sophokles, Euripides, Aristophanes und Menander, in: S. Moraw – E. Nölle (Hrsg.), Die Geburt des Theaters in der griechischen Antike (Mainz 2002) 119-140

Rose 2000: H. Rose, …sum figuli lusus…Die römischen Terrakottamasken in den Nordwestprovinzen (Köln 2000) 81 f.    Abb. 4

Rose 2003: H. Rose, Spätrömische Miniaturmasken in Germanien und der Gallia Belgica, Xantener Berichte 3, 2003, 325-351

Schwarzmaier 2008: A. Schwarzmaier, Dionysos, der Maskengott: Kultszenen und Theaterbilder, in: R. Schlesier – A. Schwarzmaier (Hrsg.), Dionysos. Verwandlung und Ekstase (Berlin 2008) 80-93

Summerer 1999:  L. Summerer, Masken, in: dies., Hellenistische Terrakotten aus Amisos (Stuttgart 1999) 65-82.

Wamser-Krasznai 2017: W. Wamser-Krasznai, Masken für Pantomimen und die weiblichen Miniaturmasken in den Nordwestprovinzen des römischen Reiches, in: Streufunde (Filderstadt 2017) 149-171

Wamser-Krasznai 2018: W. Wamser-Krasznai, Faszination Maske, in: Scholien und Spolien (Filderstadt 2018) 25-30

Wrede 1926: G. Wrede, Der Maskengott, AM 53, 1926, 66-95


[1] Summerer 1999, 65-82.

[2] Baggieri 1999, 92.

[3] Froning 2002, 72 Abb. 89. 76 Abb. 96. 81 Abb. 105 f.; Wamser-Krasznai 2018, 26 Abb.1.

[4] Froning 2002, 84 Abb. 83.

[5] Grassinger – Scholl 2008, 107.

[6]Lezzi-Hafter – Zindel 1991, 4-3; Schwarzmaier 2008, 90.

[7]Athenaios, Deipnosophistai 14, 622 b-d;  Schwarzmaier 2008, 88 Abb. 6. 9. 10; Wrede 1926, 81 Abb. 1. 83 Abb. 2. 89 Abb. 4. 

[8] Bieber 1961, 30 Abb. 109; Moraw 2002, 123 Abb. 157; Wamser-Krasznai 2018, 27 Abb. 3.

[9] Mart. epigr. XIV. Apophoreta 176.

[10] Übertragung: W. Wamser-Krasznai.

[11] Wamser-Krasznai 2017, 166 Abb. 17.

[12] Rose 2003, 341 f. ; Wamser-Krasznai 2017, 151 f.

[13] s. auch unsere Abb. 1.

[14] Fabbri 2019, 170.

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