Als ich die Überschrift in unserer Lokalzeitung am 29. Dezember las, schüttelte ich mit dem Kopf: „Wie nachhaltig kann Feuerwerk sein“, diese Frage erschien mir komplett widersinnig. Feuerwerk verbrennt, knallt, stinkt, erzeugt kurzfristig Feinstaub und ist dann verschwunden.
Mit Nachhaltig kann das nichts zu tun haben. Aber „Nachhaltigkeit“ ist eben ein Modewort, wie „Durchstarten“. Die ganzen Jungunternehmer, die durchstarten wollen, wissen gar nicht, was sie da sagen. Durchstarten tut ein Flugzeug nach einem missglückten Landeanflug, das ist ein hochriskantes Manöver.
Dann las ich, dass die Feuerwerkshersteller heute mehr auf plastikfreie Produkte setzen. Das soll angeblich Nachhaltigkeit bewirken.
Am gleichen Tag machte ich mit meinem Hund „seinen“ Spaziergang.
Obwohl noch gar nicht Silvester war, wurde schon geböllert.
Meinem Hund gefiel das gar nicht.
Mein Hund hatte Angst.
Böller, Schüsse, Knaller hatten sich nachhaltig in seinem kleinen Gehirn festgesetzt. Ein Hundegehirn hat nur etwa 2% der Nervenzellen eines Menschengehirns, aber es vergisst nichts.
Mein Hund hatte Streß:
Entgegen seiner Gewohnheit wurde kein Leckerli angefordert, im Gegenteil: Sie wurden abgelehnt.
Mein Hund ging ganz eng „bei Fuß“. Blieb ich stehen, konnte ich seinen Hinterlauf zittern sehen.
Und dann reichte es ihm.
Mein Hund drehte ab. Quer über den Acker lief er Hund zügig und auf kürzestem Weg nach Hause. Wir waren etwa zwei Kilometer von Zuhause entfernt. Ich drehte um, begegnete einer Reiterin – und dachte: Hoffentlich lässt mein Hund das Pferd in Ruhe.
Ich begegnete Spaziergängern, die ich bereits auf dem Hinweg getroffen hatte. Sie lachten: „Ihr Hund ist zu Hause. Wir wollten gerade nachsehen, ob Sie gestürzt sind“.
Zuhause lief mein Hund im Vorgarten herum und freute sich sehr, als ich ihn mit ins Haus nahm.
Zuhause fühlt er sich sicher, auch an Silvester, und das kommt ja erst noch. Und ich weiß jetzt, dass die Zeitung doch recht hat: Wie nachhaltig Feuerwerk ist.
29.12.2024
Jahrgang 1957, geboren in Braunschweig. Nach der Schulzeit habe ich in Kiel Medizin studiert und mich in Norddeutschland, insbesondere in Schleswig-Holstein, richtig verliebt. Norddeutschland bin ich treu geblieben – meine Facharztausbildungen habe ich in Lübeck absolviert, dann bin ich als Chef einer Chirurgischen Klinik nach Bremen gegangen. Seit über 15 Jahren lebe ich mit meiner Familie im kleinsten Bundesland. Wissenschaftlich habe ich über Lymphome gearbeitet und damit 1983 promoviert. Habilitiert habe ich mich 1991 in Lübeck über die Zertrümmerung von Gallensteinen. Seit 1996 Professor für Chirurgie. Ich arbeite hauptsächlich auf dem Gebiet der Gefäßmedizin und leite seit 2003 ein Gefäßzentrum an dem Klinikum Bremen-Nord
Neben wissenschaftlichen Publikationen schreibe ich kulturkritische Essays, Satire, Prosa, Geschichten über Norddeutschland, insbeson-dere über unsere nördlichste friesische Insel. Mehrmals habe ich mit Bremer Ärzten in der hiesigen Stadtbibliothek vorgetragen, schließlich ist die Medizin eines der Lieblingsmotive in der Literatur.
Warum ich schreibe? Am Grab von Kurt Tucholsky in Schweden steht eine Inschrift aus dem „Sudelbuch“, gestiftet vom Deutschen Bot-schafter in Schweden anlässlich des 75. Todestages des Publizisten und Satirikers: „Eine Treppe: Sprechen, Schreiben, Schweigen“.
Auch ich glaube an eine Hierarchie der Strukturiertheit des Denkens. Die unstrukturierteste Art des Denkens ist das Träumen. Hierbei geht alles durcheinander: Erlebtes, Erwünschtes, Geschehenes, Befürchtetes. Das Denken im Wachzustand ist demgegenüber realitätsbezogen, dennoch sprunghaft, situativ, reaktiv und den Eindrücken der Sinnesorgane folgend. Eine Hierarchiestufe höher steht das Sprechen. Sprechen erfordert eine Ordnung der Gedanken und eine Unterscheidung in Wichtiges und Unwichtiges. Gesprochenes kann aber nicht rückgängig gemacht werden. Gesagt ist gesagt.
Schreiben dagegen ermöglicht die Ordnung von Gedanken in weit hö-herem Maße: Sätze können umgestellt, verschachtelt, getrennt oder verbunden werden. Schwierige Gedanken können durch Bilder illus-triert werden, wichtige durch Fußnoten untermauert. Schreiben ist eine Investition.