aus Wicht, Dreck am Saphir, Vindobona Verlag, 2013
Das archaische Lächeln
Ein heit´res Lächeln flog im Dunkeln durch die Welt
und ward ganz unversehens dort zerspellt
durch eine Neutronenbombe.
Die Seele starb, was übrig blieb
kam in den Besatzer-Souvenirbetrieb.
Ein Kind erhielt das Ding,
von dem keiner mehr wusste, was es war
als es Vater abholen ging.
Es bedankte sich, wie es musste,
doch war die Verwendung nicht klar.
Das Zweifeln hat nicht lange gewährt
der Abwurf hatte sich kaum verjährt
da starben die Sieger selbst,
was keiner ahnen konnte,
an den Folgen ihrer eigenen Bombe
Und mit ihnen starb auch ihr Lächeln,
über das sich Gelehrte anderer Sterne und Zeiten
später noch streiten.
Generation Kriegsende
In den Schößen unserer Mütter geborgen
als Bomben fielen
atmeten wir als Säuglinge den Rauch
über verbrannten Städten
manche sehen noch den Freund
heulend
neben der Leiche der erschossenen Mutter
rotznasig
am vorüberziehenden Treck
heute
denken wir das Wort Krieg noch
mit tierhafter Angst
auch sehen einige die neue Uniform
und die MPI
in der Hand unserer Soldaten
skeptisch
während Zeitungen von Kosmosflügen
berichten
lesen wir daneben von Kerntests
lingua novi temporis
wenn wir von den Oberen sprechen
sagen wir man, von meinem
Nachbarn spreche ich von Hans Schulz
er verlangt nichts von mir und ist freundlich
wenn wir von Politik sprechen
sagen wir, man hat das und das
getan, andeutend, das geschah
ohne unsere Einflussname
wenn wir von der misslichen Lage
sprechen, sagen wir, man
wird das schon ändern
auf man lohnt kein Schimpfen
wir haben die Hoffnung
die Ohren des Tischnachbarn
in der Kneipe können mit man
nichts anfangen, das ist besser
Viele der Feistwangigen
Viele der Feistwangigen, die
uns kommandieren
haben ihr Fett
mit Gesinnung erhandelt
und sind auch bereit,
später noch
mit Gesinnung zu handeln.
Uns, die wir noch keine
käufliche Gesinnung haben
bleibt oft nur
der Hass als
Ansporn zum Handeln
Der Bart
Wir leiden oft zu sehr an den Zerrüttetheiten
an Angst und Arbeitsscheu und Impotenz
da nutzt es nichts, die Seele auszuweiten
denn für die Obern hat das seine Konsequenz
Der Mensch, so spricht man klug und laut
und weist dabei auf Friedrich Engels Buch
ist zwar nach Art der Affen aufgebaut
doch ist er Mensch durch seine Arbeitssuch´
Die Reste seiner Affigkeit trägt mancher noch
als Bartgestrüppe im Gesicht
wir distanzieren uns jedoch
von ihnen und trauen ihnen nicht
denn nur den wahrhaft Großen sei dies zugesagt
dass ihre Größe dadurch wird´ bewiesen.
Verrucht sei jeder Kleine, der es wagt
auch nur den äußeren Vergleich mit diesen.
Doch trotzdem lassen wir die Bärte sprießen
und kompensieren so die Impotenz
es mag die Obern auch verdrießen
wir tun´s in eig´ner Kompetenz.
Befindlichkeiten I (1961/62)
In der Zeit, da das Misstrauen wächst
wie dein Bart von einem Tag zum andern,
bedarf eine Freundschaft wahrhaft großen
Vertrauens gegeneinander
oder Naivität und Dummheit und knechtische Unterordnung
und du fragst dich, ob du selbst
der Geliebten deine Gedanken
und dem Gast dein wahres Gesicht
zeigen darfst.
Du weißt nie, ob man dich
deiner Zweifel wegen
und manchmal auch Eigenliebe
nicht für
verdammungswürdig hält.
Befindlichkeiten II
Man sagt uns, dass
wir einer hellen Zukunft
entgegengehen
wir lernen die Brutalität
und wären doch oft gern
zärtlich
in uns ist Hass
darum sind wir
käuflich
wer weint, tut es nachts
am Tage gibt es nur
Lachen
unsere Kunst ist es,
nicht zu sterben.
Heute verrate ich meinen Freund
denn ich will morgen noch
leben
die kleinen Hilfen bleiben ungenannt
aber manchmal sagst du doch
Bruder
um das Lächeln, mit
dem wir Befehle überhören
sollten uns spätere Generationen
bewundern.
Über Pazifismus
Ich höre den Gesang von den Gräbern
von dem Hass gegen den Krieg
man will uns wieder mal zeigen,
nur bei uns gibt es wirklich Sieg.
Ich halte mich nicht für klüger
ich seh das zerfurchte Gesicht
jenes Sängers von sinnlosen Gräbern
sehr viel Neues sehe ich nicht.
Der Hass hat abgenommen
man konserviert ihn wohltemperiert
der moralische Sieg ist wieder gewonnen
doch für ne Idee wird noch immer krepiert
1944 in Nordhausen am Harz geboren. Dort Schulbesuch mit Abitur. !962 bis 1964 Med. Schule Mühlhausen / Pfafferode. In dieser Zeit Mitglied eines Zirkels „Schreibender Arbeiter“. 1964-1970 Medizinstudium an der KMU Leipzig. Beginn der Facharztausbildung in Hochweitzschen. 1974 Wechsel an die Bezirksnervenklinik Brandenburg. Tätigkeit als Oberarzt an der Klinik für Soziotherapie, 1982-1992 Chefarzt der III. Psychiatrischen
Klinik. 1992-2011 Tätigkeit als niedergelassener Nervenarzt. Mit einer Internistin verheiratet, beide Kinder ebenfalls Mediziner.
Heutigentags Hobbygärtner, Schlaraffe, Dozent an der Med. Schule, Gutachter für das Amtsgericht, Büchernarr, Krimi- und Jazzfan, gelegentlich Großvater vom Dienst.