Ich meine
dass ich sage
was ich meine
aber ich weiß
das ich nicht immer
meine
was ich sage
und auch nicht sage
was ich meine
Manchmal erkenne
ich erst wenn ich etwas sage
was ich wirklich meine…
In der Kluft zwischen
meinen und sagen
erscheint mein Spiegelbild
ich erkenne mich
wie sich Narziss erkannte
– wenn er sich denn wirklich erkannte –
beim Blick in das Wasser
Ich hoffe nur
dass sich das was ich sage
aber nicht meine
nicht zur echten Lüge entwickelt
Das ist gar nicht so einfach, habe ich inzwischen durch die Duplizität eines Vorfalles erkannt. Ich muss dazu etwas ausholen. Also: ich nehme an zwei Arbeitsgruppen teil, die sich regelmäßig treffen. Inhalt und Art der Arbeit ist fast identisch, die TeilnehmerInnen sind es nicht. Auf eine Gruppe freue ich mich schon im Voraus, was mich nicht hindert, fernzubleiben, wenn ich zu müde oder anderweitig beschäftigt bin. Die andere Gruppe: reine Pflichterfüllung, auch wenn ich einzelne Teilnehmer gerne sehe und hinterher immer etwas „herauskam“. Ich weiß nicht, warum das so ist und anscheinend habe ich deshalb ein schlechtes Gewissen. Einmal wurde es schlussendlich ganz stark, als nämlich das Treffen abgesagt wurde. Ich… freute mich! Wahrscheinlich, um das schlechte Gewissen zu kompensieren, sagte ich: “Oh je, wie schade!“ Ich dachte, ich höre nicht richtig! Der Ton, in dem ich es sagte, war pure Heuchelei! Ich habe nicht nur nicht gesagt, was ich meine, sondern… ich habe gelogen. Lügen finde ich schlimm! Ich muss besser wahrnehmen, was ich eigentlich meine, wenn ich etwas sage! Ich benutzte meine gerne-bei-ihr-sein-Gruppe als Übungsfeld. Auch hier passierte es, dass ein Treffen verschoben wurde. Was sagte ich? „Toll, dass ihr als neuen Termin einen ausgesucht habt, wo ich schon besetzt bin. So habe ich einen Abend frei!“ Alle verstanden es nicht nur, sondern waren im Gegenteil froh, dass mein Bedauern nicht so groß war, dass wir nun neu auf Terminsuche gehen mussten. Und sie meinten wirklich, was sie sagten!
Helga Thomas
<h5>Dr. phil. Helga Thomas. Geboren
am 31. Januar 1943 in Berlin.
Ausbildung und Arbeit als Analytikerin, Psychotherapeutin.
1976 Diplom am C. G. Jung-Institut. Für meinen Beruf war
die Erkenntnissuche wichtig. Mit 15 entdeckte ich nach der
Flucht aus Ostberlin das Briefe- und Tagebuch-Schreiben,
und mit 18 Jahren kam der Durchbruch zur Lyrik, meiner
eigentlichen Domäne. Vor meiner Ausbildung am Jung-Institut hatte ich Slavistik
und Germanistik studiert, und zu diesem Zweck hatte
ich noch zur Zeit des eisernen Vorhangs ein Jahr in Sofia
studiert, um Material für meine Doktorarbeit zu sammeln.
Seit 2003 bin ich mindestens zweimal im Jahr für längere
Zeit in Sofia, um dort Analysen und Supervisionen,
Seminare und Vorträge durchzuführen. Es ist „stimmig“,
dass in Bulgarien ein Teil meiner Bücher jetzt erschienen
ist, die Lyrik zum Teil zweisprachig.
Ich empfinde meine beiden Kinder als das Zentrum meines Lebens,
auch wenn sie inzwischen erwachsen sind (Tochter, geboren
1978, Heilpädagogin, Sohn, geboren 1979, Mediziner),
und meine beiden Enkeltöchter Luisa, geboren 2007 und
Mathilda, geboren 2009. Immer ist ein Hund an meiner
Seite.
Mein ganzes Leben habe ich geschrieben, aber heute
weiß ich, dass 1994 durch das dichterische Aufarbeiten
eines Traumas eine Blockade meines Schaffens gelöst
wurde. Mein Beruf kommt also mir selbst zugute in meinem
dichterischen Schaffen, und mein dichterisches
Schaffen hilft mir in meinen Beruf.
Meine mir wichtigsten Bücher:
Emotionen. Gedichte, Tegra Verlag, Sursee 2000. – Dunkelblüten
– Lichtsamen. Gedichte, Verlag CH. Möllemann,
Borchen 2003. – Warte, bis die Seerose blüht, Roman,
Verlag CH. Möllemann, Borchen, 2006. – Halt inne. Blick in
eine andere Richtung. Gedichte, Sofia 2007. – Lausch auf
den Atem verborgenen Lebens. Gedichte für Nelly Sachs
und Paul Celan, Borchen 2007 (hierfür erhielt ich 2008 den
Horst Joachim Rheindorf-Preis des Bundes Deutscher
Schriftstellerärzte). – Geschichten (m)einer Kindheit. Erzählungen,
Sursee 2007. – Lichträume, Räume der Liebe
und des Lebens, bulgarisch-deutsch, Sofia 2008. Urformen,
bulgarisch-deutsch, Gedichte, Sofia 2009. – Gesicht
im Fenster, Gedichte, Wien 2011.
Die Bücher sind zu beziehen über: Dr. Helga Thomas, Hammerstr. 10, 79540 Lörrach, und beim Verlag.<7h5>