
Heyne-Verlag, ISBN 978-3-453-20738-7, 18€, 284 Seiten
Ein Chirurg (altgriech. Handwerk, Handarbeit) schreibt ein sehr gutes populärwissenschaftliches Buch. – Das ist der erste Satz, der mir bei der Charakterisierung dieses Buchs wichtig erscheint. Er ist auffallend und bemerkenswert, weil es wenige Chirurgen gibt, die gut lesbare und sehr informative Bücher für Nichtwissenschaftler schreiben. Da sind Allgemeinärzte, Kinderärzte, Neurologen, Internisten und Psychiater sehr viel literaturaffiner und schreibfreudiger.
Ein weiterer Gesichtspunkt, der dieses Buch so lesenswert macht, ist Schäffers pragmatischer und im Praxisalltag so wichtiger Ansatz, auf die psychosomatische Sprache unserer Patienten zu achten. Wenn wir Ärzte ihnen regelmäßig in der Sprechstunde aufmerksam zuhören, erhalten wir durch diese umgangssprachlichen Formulierungen wertvolle Hinweise auf die psychosozialen Hintergründe, die unsere Patienten zu ihren Beschwerden und letztlich zu uns führen. Es wird deutlich, wie sehr der Verdauungstrakt symbolisiert, was wir im übertragenen Sinn im Leben alles zu verdauen haben, was uns reizt, bläht und umtreibt, was uns schwer im Magen liegt, wenn es nicht mehr weitergeht oder wenn wir Schiss haben. Wenn uns die Galle überläuft, weil uns eine Laus über die Leber gelaufen ist, werden wir sauer, und es stößt uns sauer auf.
Der erfahrene Chirurgie-Professor gliedert sein umfangreiches Buch deshalb logischerweise anhand typischer Alltagsfragen aus der Praxis. Ein paar Beispiele: Was treibt den Magen an? Vom Sodbrennen und verrutschten Magen. Kann der Magen ausleiern? Kann der Magen platzen? Geht Liebe durch den Magen? Wenn der Magen das Sagen hat und durch die Galle zu uns spricht. Magengeschwüre, Magenkrebs und Magentherapien. Und die Frage Wie näht man Butter? macht neugierig auf das Kapitel über die Bauchspeicheldrüse! Vom Magenknurren, Schluckauf und saurem Hering. In dem Kapitel Rettung vor Rundungen? Hilft die Magen-OP? bespricht Schäffer die neue chirurgische Disziplin der bariatrischen Chirurgie, die Übergewichtigen Hilfe zur Gewichtsreduktion verschaffen soll.
Natürlich spielen Essen und Trinken eine große Rolle in diesem Buch. Schäffer erklärt wichtige und oft unbekannte Fakten, räumt mit typischen Irrtümern auf und gibt wertvolle praktische Tipps für genussvolle, gesunde und bewusste Ernährung. Er ist ehrlich dabei, denn er gesteht schmunzelnd seine Schwäche, in der Hektik des Klinikalltags Gummibärchen zu naschen.
Viele dramatische Geschichten aus der Klinik, die spannend geschildert werden, zeigen den authentischen Praxisbezug des Buchs und das erzählerische Geschick des Autors.
Schäffer gibt Antworten auf die Fragen und Konflikte in leicht verstehbarer Sprache. So stelle ich mir vor, dass er in der Sprechstunde seinen Patienten antwortet – sachlich korrekt, wissenschaftlich auf neuestem Stand, sehr informativ und abwägend. Er spricht erfahren, lebensklug und humorvoll mit den Menschen. Wir können ihm beim Lesen zuhören. Hier zeigt sich, dass er auf die zwischenmenschlichen Dinge ebenso achtet wie auf sein hoch spezialisiertes operatives Handwerk. Dieses Buch ist nicht nur für flüssig zu lesen; man kann auch als Arzt einiges daraus lernen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Mediziner und einem Arzt? Ein Mediziner behandelt einen Magenkrebs. Ein Arzt behandelt einen Menschen, der an Magenkrebs leidet.
Prof. Michael Schäffer ist ein Arzt, der sein Handwerk (im wörtlichen und besten wertschätzenden Sinn gemeint) menschenwürdig ausübt – und überzeugend und unterhaltend darüber schreibt.
Dr. med. Dietrich Weller, Präsident Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte

Dr. Dietrich Weller (* 1947 in Leonberg). Kinderarzt, Allgemeinarzt, Palliativmedizin. Die Beschäftigung mit klassischer Musik und Literatur sind seit meiner Schulzeit wichtige Bestandteile meines Lebens. Schriftstellerische Aktivitäten mit Prosa und Gedichten bereichern mein Leben. Nach elf Jahren in der eigenen Praxis als Haus- und Familienarzt habe ich eine große Mutter-Kind-Klinik mit aufgebaut und als Ärztlicher Geschäftsführer geleitet. Anschließend war ich zehn Jahre in der Neurologie und Neurologischen Rehabilitation tätig. Seit März 2012 bin ich im kreativen (Un-)Ruhestand. Regelmäßige Dienste in den Notfallpraxen Leonberg und Stuttgart machen mir immer noch Freude.
Seit 1997 bin ich Mitglied im Bundesverband Deutscher Schriftstellerärzte (BDSÄ), seit Mai 2012 1. Vizepräsident, seit 2013 Webmaster dieser Webseite und seit 06. Mai 2016 bis Mai 2022 Präsident des BDSÄ.
Von 2011 – 2019 war ich Herausgeber des Almanachs deutschsprachiger Schriftstellerärzte. Außerdem bin ich ein begeisterter Fotograf und Mitglied bei www.fotocommunity.de
Auf meiner Homepage: Dietrich-Weller.de, sind fast alle meine Texte und Bücher und detaillierte Informationen über den Almanach deutschsprachiger Ärzte veröffentlicht.