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Schlagwort: Lebenskonflikt

Lebensfreude oder histrionische Persönlichkeit? (Weller)

Am Abend in der Notfallpraxis. „Können Sie noch eine Patientin anschauen, die der Chirurg nebenan schon gesehen hat? Er bittet Sie darum.“ Die Arzthelferin schiebt eine ältere Dame herein, die gepflegt gekleidet und mit nacktem linkem Fuß im Rollstuhl sitzt. Sie lächelt mich zur Begrüßung freundlich an und beginnt nach der Begrüßung, ohne Aufforderung zu erzählen. Ich höre den italienischen Akzent und sehe die lebhafte Mimik und die leuchtenden Augen. „Wissen Sie, ich war noch vor ein paar Tagen in…

Der Vertragsabschluss (Weller)

Thomas Bernau betrachtet den vorweihnachtlichen Spätnachmittagstrubel. Viele Menschen hetzen von Geschäft zu Geschäft. Noch an diesem letzten Tag vor Heiligabend müssen die Geschenke gekauft werden. Weihnachten kommt ja immer so plötzlich! Die bunten Lichter in Kerzen- und Sternform erleuchten die Frankfurter Innenstadt, an den Buden stehen vermummte Leute, die sich in der Kälte an einem Punsch oder Grog wärmen und weiße Atemschleier in den Zuckerwatte-, Lebkuchen- und Alkoholduft mischen. Bernau steht jetzt vor dem mit elektrischen Kerzen beleuchteten Bau am…

Der Entschluss (Weller)

Spät abends kam eine Patientin in die Notfallpraxis, begleitet von ihrer Tochter. Es fiel mir auf, wie gebeugt die Patientin beim Betreten des Sprechzimmers ging und wie sie mich mit tief traurigen Augen anschaute. Ich erwartete, dass sie gleich anfangen würde zu weinen. Sie klagte mit gedämpfter Stimme über starke Nacken- und Kopfschmerzen. Ich stellte einige Fragen, untersuchte sie und fand dabei “nur” eine erheblich verspannte Schulter- und Halsmuskulatur. Alle Zeichen und die Vorgeschichte sprachen für die Diagnose Spannungskopfschmerzen. „Können…

Was bleibt? (Kokott)

Es bleibt der Regen, der spendet Segen für Wald und Flur. Zum Nutzen der Natur. Es bleibt die Sonne, die schenkt uns Wonne durch Wärme und Licht, wenn der Tag anbricht. Es bleibt der Himmel mit den Sternen, den nahen, weiten und sehr fernen, die funkelnd erstrahlen am Firmament. Gar manche man mit Namen kennt. Es bleibt die Welt. die weiter zerfällt in arm und reich. Sind alle Menschen wirklich gleich? Es bleibt das Werk in seiner Zeit, das Mühen…

Akute Psychose (Weller)

Ich hock im zweiten Stock in meinem schwarzen Zimmer mit Gewimmer im Eck – ganz still. Ich will weg und schreien und speien vor Schreck, denn er hat mein Versteck entdeckt! Er und seine Genossen haben unverdrossen mit fahlen Strahlen durch meine kahlen Wände behände mit Hirn-Zerriss und Pitbull-Gebiss meine Gedanken ins Wanken gebracht. Über Nacht sind sie eingedrungen und haben Mordgedanken mir ins Hirn gesungen, die mit Horror, Terror drücken und meinen Lebenssinn zerstückeln. Mit ihren Bluthunden reißen sie…

Ein Mann wie ein Baum (Dietrich Weller)

(vorgetragen bei der öffentlichen Lesung „Mein bester Text“ am Jahreskongress 2013 in Münster) Siegmund Kraft wurde 1945 in Bremen geboren. Sein Vater fiel kurz vor Siegmunds Geburt in einem der letzten Gefechte in Russland. Die Mutter zog den Jungen liebevoll auf und verdiente als Lehrerin den Lebensunterhalt. Siegmund entdeckte früh seine Liebe zum Langlauf und lief ein Jahr vor dem Abitur den ersten Marathon. Auch dadurch lernte er, mit Disziplin schwierige Momente zu bewältigen und gegen innere Widerstände bis zum…

Wunderworte (Barbara Kromphardt)

  Ab und zu musste sie mal Stadtluft schnuppern, mal viele Menschen erleben, sich ins Gedränge begeben, sich berühren lassen, vielleicht nur mit den Augen. Menschen wahrnehmen, ganz offen sein für die kleinen Alltagsepisoden einer Stadt. Sie konnte die Stadt gut mit der Bahn erreichen und lebte doch scheinbar weit weg von ihr in ihrer Art „Einsiedelei“. Das war der große Garten und der nahe Wald, das Zuhause ihrer Seele. Das kleine Haus nicht zu vergessen. Heute war wieder so…

Amboss oder Hammer sein (Siegbert Kardach)

  Auch unser tägliches Befinden ist gespalten. Einmal in unser eigenes Hoch und Leiden. Zum anderen werden wir stark beeinflusst vom Befinden anderer, die uns unmittelbar begegnen. Manchmal ist dann deren Befinden schon unser eigenes. Nicht, weil wir keinen Charakter hätten, sondern weil andere ihren nicht immer ausgeglichenen Charakter wie einen schweren Schmiedehammer auf unseren sensiblen Amboss der Empfindsamkeiten schlagen. Umgekehrt geschehen, würden diese seelischen Schlägertypen schon nach kurzer Zeit zusammenbrechen. Dann sähe wohl die kleine Welt um uns herum…

Zum Thema Umzug (Helga Thomas)

  Ich habe etwas ausgepackt (ich bin gerade am Umziehen) ich nahm es in die Hand eine erdbraune Muschel eine von denen aus unserer Kinderzeit wenn du sie ans Ohr hältst (auch fern von jeglicher Küste) kannst du das Rauschen des Meeres hören … Später erklärten mir kluge Menschen: du hörst das Rauschen deines eigenen Blutes sein Echo noch später dachte ich (inzwischen selber klug geworden): Ist das nicht dasselbe? zwei Bilder eines einzigen Geschehens Ich hielt die Muschel wie…

Rad des Lebens (Wilfried Dinter)

  Keltenschlange – Aus kalter Erde keimt dein Leben, Erst Drache, Dann himmelwärts, beflügelt. Zu nah der Sonne, Tödlich verbrannt, Kehrst du zur Erde zurück Und wirst auf`s Neue – Wiedergeboren. Aus: „Hell und Dunkel“, Privatdruck, Bremen 2012 Copyright Dr. Wilfried Dinter Wilfried DinterWilfried Dinter, Dr. med. Geboren zur Jahrhundertmitte in Kiel. Vorfahren mütterlicherseits aus dem nordöstlichen, väterlicherseits aus dem südöstlichen deutschen Sprachraum. Aufgewachsen in Karlsruhe. Studium generale (Literaturwissenschaft, Geschichte , Kunstgeschichte) und der Medizin in Düsseldorf, Heidelberg, Kiel und…

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