Tote Tante oder Lumumba ist heißer Kakao mit Rum. Der Name Tote Tante geht auf eine Legende der Insel Föhr zurück, nach der die Urne mit der Asche einer in Amerika verstorbenen Föhrerin in einer Kakaokiste auf die Insel zurückkehrte.
Patrice Lumumba war ein Politiker des Kongo. Lumumba war Gegenstand der Diskussion über die Umbenennung rassistischer Bezeichnungen, wie auch Negerkuß und Zigeunerschnitzel, nachzulesen bei Wikipedia.
Helida heißt das Hoch, das uns aus Skandinavien Sonne und Kälte bringt.
Identisches Wetter hatten wir, als wir vor genau drei Jahren hierher gezogen sind, aufs Dorf. Am Umzugstag waren es minus 15 Grad. Heute Nacht waren es minus 16, und Bruder Torsten hatte in Braunschweig sogar minus 20. Höher, schneller, weiter, kälter.
Der Mühlenteich ist vom Schnee geräumt und bereit zum Schlittschuhlaufen.
Gestern habe ich uns die Liegestühle auf die Terrasse gestellt, und dann konnten wir in der Mittagssonne ein Sonnenbad nehmen.
Die Luft roch nach Skiurlaub, die Liegestühle im Sonnenschein erinnern an den Zauberberg, nur ohne Berge.
Im Urlaub würden wir jetzt auf der Hütte eine „Tote Tante“ bestellen, die im Süden Lumumba genannt wird: Heißer Kakao mit Rum.
Tote Tante macht auch bei tagelangem Regenwetter im August auf der bekannten Nordseeinsel südlich von Dänemark gute Laune.
Kakao haben wir noch. Aber Rum ist alle.
Im Spirituosenschrank findet sich allerdings noch eine angebrochene Flasche Cognac. Den haben unsere Mütter immer gerne getrunken, wenn sie vor 30 Jahren auf unsere Kinder aufgepaßt und eingehütet haben. Immer die Diskussionen, ob Martell oder Hennessy der bessere sei.
Offensichtlich war Martell besser, denn Hennessy hat überdauert. Niemand trinkt heute mehr Cognac. So hat die Cocnacflasche den Umzug von Lübeck nach Bremen genauso überlebt wie den Umzug von Bremen nach Meyenburg.
Nachdem wir die „Tote Tante“ gegoogelt haben und wissen, dass das erlaubt ist, soll der Hennessy in die Tote Tante.
Der Kakao ist gekocht.
Der Hennessy wird entkorkt. Allerdings: Der Korken, in 30 Jahren total vertrocknet, zerbröselt in tausend Stückchen. Ein Teil fällt in die Flasche. So wird der Kakao mit gesiebtem Hennessy zur Toten Tante veredelt.
Schmeckt.
Umgehend durchflutet eine wohltuende Wärme den Körper.
Und die Stimmung steigt noch weiter, wobei sie wegen des Sonnenscheins im Schnee bereits auf hohem Niveau stabil war.
Was für ein schöner Tag. Die Erinnerung an die Omas und unsere Kinder – jetzt sind wir die Großeltern, und wir werden die Tradition aufrechterhalten.
Die Tote Tante lebt, und Oma auch.
Der gesiebte Hennessy wird aufgehoben.
Jahrgang 1957, geboren in Braunschweig. Nach der Schulzeit habe ich in Kiel Medizin studiert und mich in Norddeutschland, insbesondere in Schleswig-Holstein, richtig verliebt. Norddeutschland bin ich treu geblieben – meine Facharztausbildungen habe ich in Lübeck absolviert, dann bin ich als Chef einer Chirurgischen Klinik nach Bremen gegangen. Seit über 15 Jahren lebe ich mit meiner Familie im kleinsten Bundesland. Wissenschaftlich habe ich über Lymphome gearbeitet und damit 1983 promoviert. Habilitiert habe ich mich 1991 in Lübeck über die Zertrümmerung von Gallensteinen. Seit 1996 Professor für Chirurgie. Ich arbeite hauptsächlich auf dem Gebiet der Gefäßmedizin und leite seit 2003 ein Gefäßzentrum an dem Klinikum Bremen-Nord
Neben wissenschaftlichen Publikationen schreibe ich kulturkritische Essays, Satire, Prosa, Geschichten über Norddeutschland, insbeson-dere über unsere nördlichste friesische Insel. Mehrmals habe ich mit Bremer Ärzten in der hiesigen Stadtbibliothek vorgetragen, schließlich ist die Medizin eines der Lieblingsmotive in der Literatur.
Warum ich schreibe? Am Grab von Kurt Tucholsky in Schweden steht eine Inschrift aus dem „Sudelbuch“, gestiftet vom Deutschen Bot-schafter in Schweden anlässlich des 75. Todestages des Publizisten und Satirikers: „Eine Treppe: Sprechen, Schreiben, Schweigen“.
Auch ich glaube an eine Hierarchie der Strukturiertheit des Denkens. Die unstrukturierteste Art des Denkens ist das Träumen. Hierbei geht alles durcheinander: Erlebtes, Erwünschtes, Geschehenes, Befürchtetes. Das Denken im Wachzustand ist demgegenüber realitätsbezogen, dennoch sprunghaft, situativ, reaktiv und den Eindrücken der Sinnesorgane folgend. Eine Hierarchiestufe höher steht das Sprechen. Sprechen erfordert eine Ordnung der Gedanken und eine Unterscheidung in Wichtiges und Unwichtiges. Gesprochenes kann aber nicht rückgängig gemacht werden. Gesagt ist gesagt.
Schreiben dagegen ermöglicht die Ordnung von Gedanken in weit hö-herem Maße: Sätze können umgestellt, verschachtelt, getrennt oder verbunden werden. Schwierige Gedanken können durch Bilder illus-triert werden, wichtige durch Fußnoten untermauert. Schreiben ist eine Investition.