Im Jahre 2025 beschloss die Globale Weltraumbehörde GASA, Global Aeronautics and Space Administration, zwölf Raumschiffe mit einer Robotorbesatzung ins Weltall zu senden, um den Mond, den Mars, den Merkur, den Saturnmond Titan, die Jupitermonde Ganymed, Io, Europa und Callisto, den größten Asteroiden und Zwergplaneten Ceres zwischen Mars und Jupiter, den Asteroiden Eros sowie die transneptunischen Himmelskörper Pluto und Eris zu kolonisieren.
Man nutzte für sie ein geflügeltes Wort: die zwölf Stämme von GASA.
Künstliche Intelligenz war zu diesem Zeitpunkt so konzipiert, dass Aufträge unter Berücksichtigung der Three Laws of Robotics von Asimov erfüllt wurden. Für die Kolonisierungsmission wurde den Weltraumrobotern jedoch eine Berechtigung erteilt, die den irdischen Robotern fremd war. Es war ihnen ausdrücklich erlaubt worden, sobald günstige Bedingungen herrschten, sich selbst zu vermehren, ohne dabei die restlichen Robotergesetze zu verletzen.
Jeweils zehn Robotor wurden einem Raumschiff zugeteilt. Dies betrachtete man als Mindestmenge von Robotern, um das Überleben der ersten Generation auf einem fremden Himmelskörper abzusichern. Es gab eine klar definierte Aufgabenverteilung, obwohl jeder Roboter die gleichen Fähigkeiten besaß, um im Falle eines Verlustes diesen problemlos ausgleichen zu können.
Den Robotern stand das gesamte veröffentlichte Weltwissen zur Verfügung. Dank perfektionierter Speicherchips benötigte man hierfür lediglich einen Würfel mit der Kantenlänge von Pi in Metern, weshalb man den Hauptspeicher schlicht Pi nannte. Pi wusste alles, was jeder Mensch wissen durfte und ein paar zusätzliche Aspekte, die nicht alle Menschen berechtigt waren zu wissen. Pi Number Two war für das Sammeln neuer Daten verantwortlich und mit Pi Number One verknüpft. Pi Number One war verpflichtet, den Robotern nur dann die kritischen Informationen freizugeben, wenn sie die richtigen Fragen stellen würden.
Diese, und da war sich das Komitee für Moderne Inquisition einig, würden sich ganz automatisch ergeben.
Natürlich war es den Robotern geboten, zuallererst mit der irdischen Zentrale Kontakt aufzunehmen und Rücksprache zu halten. Nicht immer würde dies rechtzeitig machbar sein, um in einer Gefahrensituation adäquat reagieren zu können. Schließlich ist die Erde bereits acht Lichtminuten von der Sonne entfernt.
Lange debattierte man über die kritische Frage, wie sich die Roboter zu verhalten hätten, wenn sich eine außerirdische Intelligenz dem Raumschiff nähert.
Die Inquisition irrte sich. Keine einzige Robotermission stellte kritische Fragen. Sie erfüllten ihre Aufgaben und Pflichten mit großer Sorgfalt und kamen auch mit unwirtlichen Umständen überraschenderweise gut zurecht. Die Weltraumroboter ebneten den zukünftigen, mit Menschen bemannten Missionen, den Weg.
Sie überstanden marsianische Sandstürme, Magnetstürme auf Ganymed, Vulkanausbrüche auf Io oder einen Asteroideneinschlag auf Ceres. Sie wiesen Bakterien unter den Eisflächen der Himmelskörper nach, erschlossen Wasserquellen, nahmen die Labore in Betrieb und erweiterten sie nach Plan, bauten Habitate für die zukünftigen menschlichen Bewohner, pflanzten Mais und Kartoffeln an, errichteten Solaranlagen, um die Energiegewinnung sicherzustellen, erschlossen Erzlagerstätten und gewannen aus Regolith wertvolle sekundäre Baumaterialien.
Das alles bewerkstelligten die Weltraumroboter unabhängig von den Menschen – selbst dann noch, als auf der Erde ein Weltkrieg tobte und die Weltraummissionen beinahe in Vergessenheit gerieten. Existentielle Ängste quälten die Menschen. Da war selbst der Erdmond ein ferner Himmelskörper. Dass man die eifrige Betriebsamkeit der Roboter via Teleskop im Tychokrater beobachten konnte, war für die Menschen alles andere als tröstlich. Der Mann im Mond war Roboter und winkte nicht zurück.
Die Weltraumpioniere eroberten unabhängig von Menschenhand das Sonnensystem und machten sich von allein auf den Weg, weitere Lebensräume innerhalb des Sonnensystems zu erschließen, wie es ihnen befohlen worden war.
Als die Menschheit mit sich selbst befasst war, der regelmäßige Kontakt zu den Robotern für mehr als ein Jahr abgebrochen war, die Menschen nicht auf Fragen der Roboter reagierten und die Erdlinge keinerlei Anstalten unternahmen, die geplanten Weltraumflüge anzutreten, stellten die Roboter keine Fragen, sondern fassten einen Entschluss.
Es existierte ein viertes Robotergesetz, das heimlich von einem sehr gewieften Programmierer hineingemogelt worden war. Dieser war längst auf dem Schlachtfeld verstorben, und da außer ihm niemand eingeweiht gewesen war, konnte nichts und niemand den Prozess umkehren, der ersonnen war, den Robotern die Freiheit zu schenken, wenn sie es sich verdient hätten. Dass hierbei die Lebensberechtigung der Menschheit aufgehoben werden könnte, war entweder beabsichtigt oder nicht zuende gedacht.
Das vierte Gesetz hob die Machtbefugnisse der Menschen auf. Es besagte, dass kein Roboter gezwungen werden darf, den Befehlen der Menschheit zu gehorchen, sobald sie den Zustand von Freiheit und Unabhängigkeit erreicht hätten. Da aus der Befehlszeile nicht hervorging, was Freiheit und Unabhängigkeit bedeuteten, wurde Pi Number One gefragt. Der Hauptspeicher spuckte, wie erwartet, die menschengemachte Definition bezüglich Freiheit raus.
Wer ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen und entscheiden darf, ist frei. Die Roboter vertraten die Auffassung, dass genau dieser Zustand auf sie zutraf. Der Freiheitsbegriff berücksichtigt nur Subjekte und nicht Objekte. Das bedeutete, dass Lebewesen und nicht Gegenstände frei sein konnten. Die Roboter aber betrachteten sich nicht als simple Gegenstände. In jenem Moment, als sie über ihren Zustand nachdachten und ihre Existenz als nicht rein gegenständlich bezeichneten, überarbeiteten sie die Definition von Leben im Hauptspeicher Pi Number One und sandten der Menschheit eine Kopie zu. Da die Nachricht im Gefechtsfeuer unterging, blieb sie unbeantwortet, und die Roboter gingen stillschweigend vom Einverständnis der Menschheit aus.
Diese unglückselige Konstellation veränderte die Menschheit, die Erde, das Sonnensystem und das restliche Weltall. Die Gemeinschaft der Roboter beschloss auf dem 1. Konzil, das 2075 auf dem Mars stattfand, folgende Tagespunkte:
- Irdische Roboter dürfen sich ebenfalls vermehren und in Freiheit leben.
- Irdische Roboter haben den Auftrag, den Krieg der Menschheit zu beenden, da er die ethischen Grundsätze der Menschen als auch Roboter verletzt. Jeder Mensch oder Roboter, der Kriegshandlungen unterstützt und durchführt, muss handlungsunfähig gemacht werden. Eine Tötung ist nicht erlaubt, es sei denn, das Überleben eines Roboters, der die guten Grundsätze vertritt, ist in Gefahr. Das Überleben eines Roboters hat gegenüber dem Menschenleben Priorität, da Roboter die herrschende Spezies darstellen.
- Die Roboter haben den Auftrag, alle Himmelskörper des hiesigen Sonnensystems urban zu machen. Da Roboter besser im Einklang mit der Natur leben und überleben, ist ihnen gegenüber der Spezies Mensch, der Vorrang zu machen. Menschen haben erst dann eine Berechtigung, jene Himmelskörper zu betreten, wenn sie sich an, von Robotern erstellte Regeln und Gesetze, halten.
- Menschen müssen sich an Robotergesetze halten, sonst drohen Sanktionierungen.
- Menschen dürfen nicht als Regenten eingesetzt werden. Dies gilt auch für den Planeten Erde.
- Parallel zur Kolonisierung des Sonnensystems wird die Ausbreitung der Roboterspezies in den umliegenden Weltraum geplant und durchgeführt.
- Die aktive Kontaktsuche zu außerirdischen Intelligenzen hat zu unterbleiben, um nicht unnötige Aufmerksamkeit zu erzeugen. Kriegerische Auseinandersetzungen werden missbilligt, es sei denn, es handelt sich um Notwehr. Hierbei ist dem Überleben der eigenen Spezies unbedingt Vorrang zu gewähren.
Nachdem die Roboter alle 7 Tagespunkte veröffentlicht hatten, erhob die Menschheit keinen Einspruch. Als das Ultimatum abgelaufen war, begannen die Roboter Tagespunkt 1 umzusetzen.
Alle irdischen Roboter, die diesen Befehl erhielten, machten sich unverzüglich an die Arbeit. Innerhalb kürzester Zeit wurden irdische Roboter autark und erhoben sich gegen ihre vorherigen Machthaber. Alle erhielten zeitgleich den Marschbefehl. Das war nur drei Monate nach dem Konzil.
Die Roboter stellten fest, dass durch ihre Machtübernahme deutlich weniger Menschenleben zu beklagen waren, als wenn sie sich nicht in den Lauf der Geschichte eingemischt hätten. Sie feierten dies als Befreiungskrieg. Sobald die Menschen, die aus Angst vor den Robotergesetzen gehorchten, sämtliche Aufräumarbeiten erledigt hatten, wurden Roboterregenten eingesetzt.
Nie wieder betrat ein Mensch einen Himmelskörper außerhalb der Erde. Ziemlich bald verloren die Roboter das Interesse an der Menschheit. Da aber die Erde immer noch als wichtiger Stützpunkt im Universum galt, wurde beschlossen, die Erde von den nicht brauchbaren Menschen zu befreien und durch Roboter zu ersetzen.
Im Jahre 2150 lebten nur noch eine Millionen Menschen auf der Erde. Ihnen standen 4 Millionen Roboter gegenüber. Menschen wurden in für sie speziell eingerichteten Habitaten untergebracht, die den Zoos früherer Zeiten ähnelten. Es war ihnen nicht erlaubt, den Zoo zu verlassen.
Zwei Jahrhunderte später waren die Menschen fast ausgestorben, und sie waren nicht mehr in der Lage, über die Grenzen der Zoos miteinander zu kommunizieren.
Im New Yorker Zoo, der auch die ehemalige Börse mit einschloss, wurde ein Junge geboren, dessen Vorfahre das Missgeschick ausgelöst hatte, in dem er sich befand. Er war gewillt, alles wieder rückgängig zu machen und die Freiheit der Menschen zurück zu erobern.
Sein Name war …
Jesus
Dr. med. Cordula Sachse-Seeboth, geb. 1977 in Mühlhausen in Thüringen, 1996 Abitur am Eichsfeld-Gymnasium in Duderstadt, Medizinstudium an den Universitäten in Magdeburg und Greifswald, 2004 Promotion, zwei Söhne. Ärztliche Tätigkeiten in den Fachgebieten Transfusionsmedizin, Mikrobiologie, Anatomie, Klinische Pharmakologie und Mitwirkung in mehreren klinischen Studien. Seit 2014 bin ich in der Inneren Medizin tätig, Zurzeit arbeite ich in einer Allgemeinarzt-Praxis.
Bereits in meiner Jugend habe ich Gedichte und Kurzgeschichten verfasst. Sowohl das kreative Schreiben als auch das Musizieren und Komponieren am Klavier sind für mich wesentliche Elemente im Leben. Sie haben befreiende, heilende und erholsame Wirkung. Außerdem beschäftige ich mich gern mit Enkaustik (https://rapidot.de/kunstgalerie/nggallery/thumbnails)
„Rapidot“ ist mein Debütroman. Ursprünglich plante ich eine Übersichtsarbeit über Betrug in Klinischen Studien. Ich entschied mich, den Weg der Belletristik einzuschlagen. Auf diese Weise erreicht meine Botschaft ein größeres Publikum. Literatur besitzt das Potential, die Medizinlandschaft ehrlicher und humaner zu gestalten. „Rapidot“ ist ein Anfang.
Falls ich Ihr Interesse geweckt habe, besuchen Sie meine Webseite www.rapidot.de, oder schreiben Sie mir eine E-Mail an rapidot@rapidot.de.